Ab 1. April 2019 tritt das sogenannte Alkoholkonsumverbot auf dem Werderplatz in Kraft. Durch dieses sollen unliebsame Menschen aus dem Stadtbild vertrieben werden.

Deutlich wird dies vor allem daran, dass das Verbot zeitlich eingeschränkt und an die Öffnungszeiten des dortigen Supermarktes angepasst ist. Konsumorientierte Menschen, wie z.B. Studierende, sollen dadurch nicht eingeschränkt werden. Ebenso sind die anliegenden gastronomischen Flächen ausgenommen.

Diese Umstände zeigen, dass es sich keines Falls um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Alkoholkonsum handelt. Vielmehr sollen gezielt Menschen aus dem Viertel und seiner Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

Möglich macht das Verbot eine Verschärfung des Baden-Württembergischen Polizeigesetzes aus dem Jahr 2017. Diese Gesetzesverschärfung wurde der Öffentlichkeit als Antiterrorpaket verkauft. Jetzt findet die Terrorbekämpfung auf dem Werderplatz gegen Obdachlose, Arbeitslose, Drogenabhängige und alle anderen Menschen statt, die nicht ins Bild der neoliberalen Stadtgesellschaft passen.

Diese Verdrängungspolitik ist nicht neu in Karlsruhe. So wurde beispielsweise im Jahr 2002 ein sogenanntes Punkerverbot für die Karlsruher Innenstadt beschlossen, welches gerichtlich wieder aufgehoben wurde.

Im Hinblick auf den Werderplatz gibt es das Ziel eines umfassenden Programms auf verschiedenen Ebenen, um mit der Situation rund um den Indianerbrunnen umzugehen. So wurde in Zusammenarbeit mit sozialen Trägern beschlossen eine sogenannte Trinkerstube und einen Drogenkonsumraum einzurichten. Das Alkoholverbot wird bis heute als Teil dieses Maßnahmenpaketes verkauft. Eine Reflektion dieses Verbotes hingegen wurde vom Gemeinderat abgelehnt und damit eine notwendige Evaluation unmöglich gemacht.
Das Alkoholverbot und die damit verbundenen Repressionsmaßnahmen sind nicht Teil eines Gesamtpaketes. Dies zeigt sich daran, dass der Drogenkonsumraum in absehbarer Zeit nict eingerichtet werden kann. Bis heute fehlen die notwendigen Regelungen der Landesregierung, die dies überhaupt ermöglichen. Die Trinkerstube A³, die einen Treffpunkt darstellt, um somit die Möglichkeit zur Pflege sozialer Kontakte aufrecht zu erhalten, wird von den Betroffenen positiv angenommen. Die Öffnungszeiten sind jedoch auf Werktage und bis zum Nachmittag beschränkt. Sie decken nicht den Zeitraum der Repressionsmaßnahmen ab und widersprechen somit ebenfalls einem Gesamtkonzept.

Mit der Aussage “man würde die Menschen wohl eher vom Platz verdrängen” macht Herr Weisse, Chef des Karlsruher Ordnungsamtes deutlich, worum es in Wirklichkeit geht. Die Repressionsmaßnahmen sind Teil einer Verdrängungspolitik, die dem Versuch, Maßnahmen zur Lösung eines Problems zu treffen, widersprechen.

Die Politik der Verdrängung findet jedoch nicht allein auf dem Werderplatz statt.

Eine fortwährende Entwicklung und Beschleunigung der Ökonomie sorgt seit den 70er Jahren für sogenannte Gentrifizierungsprozesse.
Gentrifizierung ist ein Prozess, der sich in mehreren Schritten vollzieht.
Vorstadtviertel mit günstigem Wohnraum bieten eine gute Basis für Menschen mit niedrigem Einkommen und sogenannte Pioniere, wie Subkulturen, Künstler*innen, Studierende. Mit der kreativen Ausgestaltung der Viertel steigt ihre Popularität und der Zuwachs an eigenem Kapital. Durch Kneipen, kleine Geschäfte und sympathische Kunst steigt der Kultfaktor des Stadtteils. Er wird für Menschen mit hohem Einkommen attraktiv.
Das Interesse an hochwertigem Wohnraum steigt und Investor*innen nutzen die Gelegenheit. Öffentlicher Raum wird deshalb nach und nach in privates Eigentum umgewandelt. Die Stadt fungiert zunehmend als wirtschaftliches Unternehmen.
Günstiger Wohnraum wird durch Sanierung aufgewertet und dadurch für einige Bewohner*innen unbezahlbar. Dies führt zu einem sozialen und kulturellen Wandel des Viertels. Bestimmte Personengruppen sind im öffentlichen Raum plötzlich problematisch, unerwünscht und werden schlicht aus diesem verdrängt.

Diese Entwicklung ist in der Karlsruher Südstadt seit Jahren zu beobachten. Drastische Erhöhungen der Mieten führen zu Mietverdrängung, kleine Geschäfte, Cafes und Kneipen werden durch Feinkostgeschäfte und Biosupermärkte ersetzt.

Die mit diesem Prozess zusammenhängenden sozialen Probleme wie Erwerbslosigkeit oder Wohnungslosigkeit zwingen die Stadtpolitik zu einer Regulierung, um einen sozialen Kollaps langfristig zu vermeiden.
Ihre Aufgabe sieht sie jedoch nur ansatzweise darin sozialpolitisch nach Lösungen zu suchen. Die Abhängigkeit von der Konkurrenz gegenüber anderen Städten, lässt lediglich eine Verwaltung der Probleme zu, um den scheinbaren sozialen Frieden zu wahren. Zu sehen ist dies an den Diskussionen um neuen und bezahlbaren Wohnraum, aber auch an konkreten Situationen, wie das Thema Werderplatz zeigt. Öffentliches Gut, sei es Wohnraum oder Plätze, die theoretisch allen zur Verfügung stehen sollten, werden privatisiert, bzw. der Zugang stetig eingeschränkt. Beides steht anschließend nur noch einem ausgewählten Kreis an Menschen zu.

Die Politik von heute ist abhängig von kurzfristigen Kapitalinteressen. Somit ist sie nicht in der Lage Lösungen für sozialpolitische Themen zu finden. Die ökonomische Konkurrenz wird auf die Bevölkerung projeziert und führt damit zur Spaltung der Gesellschaft und der einhergehenden Verdrängungspolitik. Wer sich die Stadt oder das Viertel nicht mehr leisten kann muss gehen.

Diese Politik der Verdrängung muss sofort gestoppt werden.
Keine weitere Privatisierung und Einschränkung öffentlicher Räume!
Für eine Stadt für ALLE!


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Datum/Zeit
Date(s) - 30.03.2019
16:00 - 18:00

Veranstaltungsort
Werderplatz

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