Jugend/Ökologie

Feindbild for future

Wie die Jugend mundtot gemacht werden soll

Fridays for Future Demo in Karlsruhe Bild: David Heitz

Vertreter*innen rechter, konservativer und liberaler Parteien haben ein neues gemeinsames Feindbild: die 16-jährige schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Selten war man sich rechts der Mitte so einig, jemanden öffentlich in Misskredit zu bringen wie im Fall der „kleinen Greta“ und der von ihr angestoßenen Bewegung „Fridays For Future“, einer globalen Initiative für mehr Klimaschutz, die von Schüler*innen angeführt wird. FDP-Chef Christian Linder meint etwa, der Klimawandel sei was für „Profis“, die jungen Leute sollten sich raushalten. Über erhobene Zeigefinger wie den von Lindner können die meisten Schüler*innen bei der Demo in Karlsruhe am 15. März nur lachen. Manche macht die Bevormundung aber auch wütend. „Von einem Politiker, der sich mit 19 seinen ersten Porsche gekauft hat, muss ich mir nichts sagen lassen“, kritisiert der 17-jährige Johannes aus Rastatt. Er ist einer von über 6.000 jungen Menschen, die sich auf dem Marktplatz versammeln. „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle“, tönt es im Chor. Bei Kälte und Regen springen die Schüler*innen auf und ab. Es ist der bislang größte „Friday for Future“. Deutschlandweit nehmen an diesem Tag laut Veranstalter 300.000 Personen teil. Die Aufmerksamkeit war ihnen sicher, die Zustimmung nicht unbedingt.

„Our climate gets even hotter than young Leonardo DiCaprio“

Nur einen Tag nach dem Klimastreik Mitte März hielt es auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer offenbar für nötig, sich zum – oder besser: gegen – den Schulstreik zu positionieren. Sie wusste: Beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union in Berlin wird sie damit punkten. Unter tosendem Applaus verkündete sie dann, sie würde ihren Kindern keine Entschuldigung für die Teilnahme an einer Klima-Demo während der Schulzeit schreiben – und die Kinder sollten sich „hinsetzen und den Stoff nachholen“. Eine Gruppe von Neuntklässlerinnen aus Ettlingen sah das am Vortag ganz anders: Erstmal solle die Politik ihre Hausaufgaben machen. Eine Schülerin, auf den Schultern eines Klassenkameraden sitzend, trägt dabei einen gelben Regen-Parka wie Greta Thunberg. Von ihren Eltern habe sie keine Entschuldigung für die Fehlstunden bekommen. „Egal“, sagt sie, „heute ist die Straße unsere Schule“. Die Gruppe hält durchnässte Pappschilder: „I want a hot date – not a hot planet“, „Our climate gets even hotter than young Leonardo DiCaprio“. Man hat den Eindruck, es gebe einen informellen Wettbewerb: Wer hat das schmissigste Plakat? Sticker mit „Make the World Greta Again“ werden verteilt.

Rechte wollen „Fridays for Future“ mundtot machen

Für Rechtsaußen ist Greta nicht großartig, sondern „krank“ und „ideologisiert“. Eine Woche vor dem Klimastreik insinuierte der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen beim politischen Aschermittwoch in Karlsruhe gar, die „arme Greta“ sei womöglich ein Nazi – schließlich habe das Mädchen „zwei blonde Zöpfe“. Und an einer „Öko-Diktatur“ arbeite sie ja auch. Die überwiegend alten Herren in der Europahalle goutierten das mit zustimmendem Gelächter. Ob sie dabei auch an ihre Enkelkinder gedacht haben? Die Jugendlichen lassen sich von Meuthen und Co. aber ohnehin nicht groß provozieren. Ohnehin ist das Narrativ der Kritiker*innen und Gegner*innen des Klimastreiks durchschaubar: Sie wollen die Glaubwürdigkeit des Protests in Frage stellen („Warum demonstriert ihr nicht in eurer Freizeit?“ – Kramp-Karrenbauer); sie wollen sich gegen Kritik an der eigenen Politik und ressourcenverschwendenden Lebensweise immunisieren und Argumenten aus dem Weg gehen („Profis“ – Lindner); und die Schüler*innen sollen infantilisiert und gemaßregelt werden („Pure Ideologie, arme Greta“ – CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak). Hinzu kommt der schwerwiegende Vorwurf, die Kinder und Jugendlichen seien alle Teil einer links-grünen, „von oben“ orchestrierten „Umerziehungskampagne“. Es ist die Ironie der Geschichte, dass diese Vorwürfe gerade von Akteur*innen kommen, die gerne umerziehen würden – und scheitern. Der Politologe Albrecht von Lucke schreibt in den „Blättern“ dazu passend: „Indem gerade jene Seite, die sich als angeblich für die Freiheit jedes Einzelnen verwendet, so eine neue Totalitarismustheorie erfindet, dämonisiert sie die andere Seite, um sie zum schweigen zu bringen.“ Die Schüler*innen hatten darauf auch in Karlsruhe eine lautstarke Antwort: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!“ Mundtot ist anders.

Marc Steinau

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