Schwerpunkt

Gutes Essen für gutes Lernen

Die Vitale Lunchbox versorgt 2.000 Kinder und Jugendliche in Karlsruhe mit nachhaltigem Schulessen

Kein Patentrezept Foto: David Heitz

Mitten im idyllischen Hardtwald, umgeben von Bäumen, die an diesem Herbsttag ihre letzten farbigen Blätter verlieren, liegt das Seminarzentrum „räume“. An diesem Sonntagnachmittag endet dort gerade ein großer Sonntagsbrunch. Es duftet nach Waffeln und frischem Kaffee, Kinder klimpern auf dem Klavier, während die Erwachsenen in Gespräche vertieft sind. Hinter dem Seminarzentrum steht Diana Stier. Die Fernsehjournalistin hat mit dem Koch Hossein Fayapour 2012 außerdem die Vitale Lunchbox ins Leben gerufen. Sie erzählen nun inmitten des bunten Treibens, was dahinter steckt. „Wir kochen für Kinder und Jugendliche an Schulen, Schülerhorten und Kindertagesstätten ein qualitativ hochwertiges Mittagsgericht – frisch, nachhaltig und regional “, sagt Hossein Fayapour. Laktose- oder glutenfrei? Bei der Vitalen Lunchbox ist das kein Problem. Auch auf Zusatzstoffe verzichten sie komplett. Das Konzept stößt in Karlsruhe auf große Resonanz: Inzwischen erhalten 2.000 Kinder und Jugendliche in der Fächerstadt täglich Essen von der Vitalen Lunchbox. Die Warteliste ist lang, 3.000 weitere Schüler*innen stehen darauf.

Hinter der Vitalen Lunchbox steckt eine gemeinnützige GmbH, eine sogenannte gGmbh. Zur Organisation gehört außerdem der Verein „Tischlein Deck dich“. „Gewinn spielt bei uns keine Rolle – wir möchten das Gemeinwohl stärken“, sagt Diana Stier. In Karlsruhe entscheidet bei öffentlichen und städtischen Bildungseinrichtungen das Schul- und Sportamt, welcher Anbieter den Zuschlag erhält. Bewerben können sich Lieferanten aus ganz Europa. Ausschlaggebend für die Vergabe ist zu 70 Prozent der Preis, zu 30 Prozent die Qualität. „Der Preis für ein Schulessen liegt derzeit bei Ausschreibungen zwischen 2,85 Euro und 3,60 Euro“, weiß Diana Stier. Aufgrund dessen ist es keine Ausnahme, dass Karlsruher Bildungseinrichtungen mit Essen beliefert werden, das Tausende Kilometer entfernt gekocht wird – vorportioniert in aufwärmbare Aluschalen. Private Schulen können dagegen losgelöst von den Vorgaben entscheiden.

Das Team der Vitalen Lunchbox besteht aus 27 Personen. Die 2.000 Schulessen entstehen jeden Tag in einer Großküche in der Linkenheimer Allee. Neun verschiedene Sprachen werden dort gesprochen, die Vielfalt ist groß. Das Team steht im direkten Kontakt mit den Vertreter*innen der Schulen. Wir liefern das Essen selbst aus und bereiten, wenn es möglich ist, auch Teilschritte direkt vor Ort zu“, sagt Hossein Fayapour. Ihm ist es wichtig, die Kinder direkt miteinzubeziehen. „Unser Konzept ist ganzheitlich“, fügt er hinzu.

Zwischenüberschrift: Mehr als eine Nahrungsaufnahme

Seine Erkenntnis: „Das Mittagessen in der Schule spielt eine weitaus größere Rolle als die reine Nahrungsaufnahme. Beim gemeinsamen Essen werden Werte vermittelt. Teilen, Toleranz und Fairness. Statt den Kindern und Jugendlichen Portionen vorzugeben, dürfen sie selbst schöpfen. Was passiert, wenn auf einer Schale vier große Kartoffeln liegen, aber fünf Kinder am Tisch sitzen? Oder in einem Obstkorb verschiedene Früchte sind? Wer bekommt die Banane und wer die Mandarine?

Mit der Hans-Thoma-Schule hat die Vitale Lunchbox außerdem ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. Der Titel: „Achtsamkeit beim Grundschulessen“. „Vor dem Start landeten 25 Kilogramm vom Essen in der Abfalltonne“, erläutert Diana Stier. Sie fragten sich deshalb, wie können wir das verändern? Ihre Lösung: „Wir erklärten den Kindern, woher die Lebensmittel kommen, vermittelten Wissen über Obst und Gemüse, aber auch über Abfallvermeidung“, sagt Hossein Fayapour. Das Ergebnis: 86 Prozent weniger Essen landete in der Tonne. „Kinder mögen zeitgemäßes Essen“, sagt er. Außer Pizza und Pasta greifen sie bei Schupfnudeln, Knödeln und Salat zu. „Wenn im Dressing Zwiebeln enthalten sind, regt das beispielsweise die Geschmacksnerven an“, erklärt der Koch. Aber: Es dauert auch ein wenig, bis sich die Schüler vom Essen mit Zusatzstoffen umgestellt hätten. Die Geduld zahle sich aber aus.

Bei der Auswahl der Lieferanten geht es der Vitalen Lunchbox um regionale Nähe, aber auch um soziale Integration. Karotten, Salat, Kürbis, Paprika und Gurken. Vom Auenhof bezieht das Team Gemüse. Er ist ebenfalls eine gemeinnützige Gmbh mit Demeter Landwirtschaft und beschäftigt außerdem Menschen mit Handicap. Das Unternehmen Alb Gold aus Trochtelfingen liefert die Pasta für das Schulessen – sie ist biozertifiziert. „Insgesamt liegt der Bioanteil bei unserem Essen bei 50 Prozent“, sagt Diana Stier. Sie rät Eltern, die sich für ihre Kinder ein besseres Schulessen wünschen: „Bildet Initiativen und tretet in Kontakt mit der Schulleitung“. 2.000 Essen täglich. Die Kapazitäten der Vitalen Lunchbox sind derzeit erschöpft. „Wir möchten nicht wachsen und zu einem großen Konzern werden“, betont Hossein Fayapour. Um aber andere Anbieter*innen unterstützen zu können, arbeitetet die Vitale Lunchbox transparent. „Interessierte und Gastronomen können sich unsere Erfahrungen und Best-Practice-Beispiele als Open-Source anschauen“, sagt Hossein Fayapour. „Wir freuen uns über Mitmacher und Nachahmer – für ein besseres Schulessen für unsere Kinder.“ (mis)

Miriam Steinbach

1 Kommentar

  1. Herr Fayapour betreibt auch eine kleine Kantine in Karlsruhe-Hagsfeld, das Essen ist hervorragend und ich kann nur die Qualität der Speisen loben!!

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