Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Bildung/Kultur

Beyond postkapitalistischer Illusionen

Einblicke und Ausblicke vom Beyond Festival – Future Design von ZKM und HfG

Nebst der Beförderung zum führenden IT-Standort Karlsruhe, wobei Digitalisierung als wichtiger Wirtschaftsfaktor definiert ist und „Design“, im Dreiklang aus Wissenschaft, Kunst und Technik, die Rolle zukommt, Produkte auch Anklang finden zu lassen, eröffnen sich beim 7. Beyond Festival, zu virtueller Realität, künstlicher Intelligenz (KI) und Postkapitalismus, philosophische, gar utopische Fragen.

Die Kultur ist überfordert mit der Technologie, so Prof. Dr. Hartle (HfG), der zwei utopische Dimensionen identifiziert – die technologische Entwicklung, nicht nur im Bereich Automatisierung, sondern auch im Kreativbereich und ihr Zusammenspiel mit einem neuen sozialen Zusammenhang.

Der Autor Holger Volland (Frankfurt) zeichnet ein nüchternes Bild dessen was künstliche Intelligenz kann und können wird, ohne die gewohnte, damit einhergehende Frage, die von der Illusion getragen wird, regulierend einwirken zu können, zu beantworten: Wollen wir das? Denn was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Anschaulich beschreibt er, wie KI-Algorithmen Werke produzieren, die sich, in ihrer Wirkung auf den Betrachtenden, von echter Kreativität nicht unterscheiden lassen – seien es generierte Rembrandt Portraits, Fotos von Prominenten, die nie existiert haben, Reden von Politikern, die nie gehalten wurden, nach den analysierten Bestandteilen von Radio-Hits programmierten Popsongs oder im Stile Rowlings verfasste Harry Potter Abenteuer. Nachdem wir lange brauchten um zu begreifen, dass Fotos lügen, müssen wir uns heute daran gewöhnen alles anzuzweifeln, selbst Texten und Videos nicht zu glauben. Könnte die Rettung vor dem Ertrinken im Meer aus generiertem Content, wiederum in bündelnden Algorithmen stecken? Die eigentliche Gefahr, so Volland, besteht darin, dass KI sich aus vorhandenen Daten speist. Es handelt sich um scheinbare Kreativität, denn weit über die menschliche Inspiration hinausgehend erdenkt sie nicht Neues, sondern generiert, kopiert und imitiert, gemäß den Regeln, Mustern und Gesetzmäßigkeiten des zu Grunde liegenden Datenmaterials. Letztendlich speisen ihre eigenen Werke wieder den Datenberg aus dem sie geschaffen wurden. Algorithmen agieren also evolutionär, nie revolutionär. Existierende Klischees und Status werden nicht nur reproduziert, sondern durch den hinzukommenden, den Datenpool vergrößernden Inhalt verstärkt. Im Spiegelhaus evolutionärer Reproduktion, ist die KI dazu verdammt sich auf ewig im Kreis zu drehen.

Für Hartle ist alle Hoffnung in die befreiende Kraft der Technologie Illusion. Wenn Gesellschaft letztlich ein Konflikt sozialer Oppositionen bedeutet, ist Technologie kein Befreier, vielmehr ein Mittel zur Intensivierung und Verfestigung des Status quo von Ungleichheit. Anstelle der optimistischen Perspektive, der Utopie des Postkapitalismus – längst entzaubert, seit das World-Wide-Web Menschen erst isoliert, um sie dann marktgelenkt wieder zu vernetzen – sieht er vielmehr Grund zu einem postkapitalistischen Pessimismus. Die Technologie wird es nicht richten, es liegt an uns, empathisch, gemeinsam Energien zu bündeln und zu gestalten.

Die Gefahr künstlicher Kreativität wird offenbar, wenn nur ein wahrer Bachexperte, aufgrund einer einzigen untypischen Tonalität, erkennt, dass er einer einem Algorithmus entspringenden Komposition lauscht oder nur noch die Kunstsammlerin, anhand eines einzelnen, zu druckvollen Pinselstrichs erkennt, dass ein Gemälde nicht vom Pinsel ihres Idols stammen kann. Vielleicht sind es am Ende diese Menschen, die den Unterschied machen, die den erlesenen Kreis derer bilden, die die von Menschengeist erdachten und von menschlicher Hand erbrachten Schöpfungen gestalten und wertschätzen. Letztlich steckt hier auch eine herausfordernde Bildungsaufgabe.

Der größte Investitionsmarkt für Innovationen in künstlicher Intelligenz ist der Medienbereich, also jener in dem der Kampf zwischen echten Informationen und Meinungsmache, zwischen Fake-News und journalistischer Aufklärung tobt. Ein Kampf, der das Potential hat am gesellschaftliche Gefüge zu rütteln und dessen Gewalt weit über die Grenzen der virtuellen, in die physische Welt wirkend, Schäden anrichtet. Die Befähigung zu dieser Unterscheidung, als Voraussetzung zur Auseinandersetzung, ist womöglich der große Auftrag der Bildung.

Nehmen wir also den Kampf an. Gehen wir beyond und erschaffen uns unsere Utopie.

 

 

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