Ökologie

Bomben für die Bienen

Erlebnisbericht über „Guerilla Gardening“ in Karlsruhe

“Laben am süßen Nektar” (Foto: Carla Holbein)

Die Redaktion erreichte ein Bericht, den wir nachstehend dokumentieren.

Nachts in der Küche einer WG in Karlsruhe. Wir sitzen schon seit Stunden beisammen, palavernd, bei Bier und Chips. Plötzlich springt Tim auf, geht in sein Zimmer und kommt mit einem Eimer zurück, den er wuchtig auf den Tisch hievt, um den wir sitzen. Darin: Beutel mit Samen und große Säcke mit Ton und Erde. Er reißt die Säcke auf, schüttet sie in den Eimer und knetet den Inhalt kräftig durch, so als würde er einen Brotteig vorbereiten. Dann nimmt er eine Handvoll der braunen Masse in die Hand, formt eine faustgroße Kugel die er auf den Tisch packt, bevor er mit den Worten „Kommt schon, macht mit!“ erneut in den Eimer greift. Auf meine Frage erklärt er, dass es sich bei den Samen um „Bienenschmaus“ handle, eine Samenmischung für Blumen, die Bienen besonders mögen. Es sei wichtig, heimische Pflanzen zu verwenden und keine Neophyten, die sich zu stark ausbreiten und heimische Pflanzen verdrängen. Erst zögere ich einen Moment, doch dann ohne weitere Fragen zu stellen, knete ich auch Kugeln aus Erde und Samen – Samenbomben, wie Tim sie nennt, und platziere sie vor mir auf dem Tisch.

Nach einer halben Stunde haben wir den Eimer geleert und gut 50 Samenbomben geformt. Tim verteilt Plastiktüten und fordert uns auf, ihm zu folgen. „Bewaffnet“ mit einem Dutzend Bomben in einer Plastiktüte in meiner Handtasche folge ich den anderen zum Fahrradständer. Wir steigen auf und fahren im Konvoi ohne Licht durch die Straßen. „Zuerst in die Waldstadt, dann durch den Park und am Euro vorbei Richtung Bahnhof“, ruft Tim, der den Fahrradzug anführt, den Kopf nach hinten gewandt. Er fährt zügig, die Umhängetasche offen und nach vorne gedreht, in die er von Zeit zu Zeit hineingreift um eine Kugel heraus zu ziehen, die er dann auf Verkehrsinseln und Grünstreifen wirft. Wir anderen machen es ihm nach. Es ist irgendwie aufregend. Am spannendsten ist es, wenn wir zwischendurch anhalten und die Samenbomben von Hand pflanzen, denn immerhin ist es verboten. Strenggenommen sei es Sachbeschädigung und als solche eine Straftat, wie mir Claudia erklärte. Ihnen sei aber noch nie etwas passiert, beruhigte mich Tim und außerdem täten wir damit etwas Gutes: „Wir schaffen Nahrungsquellen für Bienen und zusätzlich wird die Stadt dadurch schöner.“ Kreuzung Kriegsstraße-Karlstraße, ich bremse und springe vom Rad. Beim Fußgängerüberweg habe ich ein ideales Beet erfasst. Ich lege mein Fahrrad auf den Boden, stelle mich ans Beet, schaue nach links und rechts; die Luft ist rein. Während die anderen Schmiere stehen, grabe ich mit den Händen ein schönes rundes Loch. Dann greife ich in meinen Beutel, die letzte Kugel. Ich nehme sie raus, lege sie behutsam in das Loch und drücke sie fest. Zum Schluss überdecke ich meine Saat wieder mit einem Teil der aufgehäuften Erde, bis es ganz glatt ist. Ich gebe mir Mühe, schließlich ist es meine erste eingegrabene Guerilla-Saat. Dann fahren wir noch etwas weiter, um unsere letzten Bomben loszuwerden, bis wir uns am Bahnhof verabschieden. Müde, aber glücklich und auch ein bisschen stolz falle ich ins Bett.

Seit jener Nacht achte ich immer auf die Grünstreifen und Beete, wenn ich in der Stadt unterwegs bin. Bei jeder wildwachsenden Blume denke ich, die könnte von mir sein. An einem Morgen, als ich wieder an dem Beet an der Karlsstraße vorbeikomme, springt mir eine einzelne orangeleuchtende Ringelblume ins Auge. Sie scheint nicht so recht ins Bild zu passen und ich bin mir sicher, sie ist das Produkt meiner letzten Samenbombe. Ein Lächeln im Gesicht fahre ich davon. Um die Ringelblumenblüte schwirrt eine Biene. Carolina, Guerilla-Gardener

Carolina, Guerilla-Gardener

Darum sind Bienen so wichtig

Die Zahl der im Winter sterbenden Bienenvölker steigt. Laut Imkerbund haben 225.000 von insgesamt 750.000 Bienenvölkern in Deutschland den vergangenen Winter nicht überlebt. Normalerweise liegt die Quote bei zehn Prozent. Dabei haben Bienen eine bedeutende Rolle in unserem Ökosystem inne, die weit über ihren Nutzen zur Honigproduktion hinausgehen. Denn ein großer Teil der Vegetation ist auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Weniger Bestäubung heißt weniger Vegetation und weniger Nahrung für Mensch und Tier.
Was Untersuchungen belegen ist, dass die Widerstandskraft von Bienen zunehmend abnimmt und die Einflüsse von Schädlingen dadurch dramatischere Folgen auf Bienenvölker haben. Hierfür ist, neben der Schädigung der Nervensysteme durch Pestizide, vor allem eine vermehrt auftretende Unterernährung in Form von Eiweißmangel verantwortlich.

Veränderungen der Landschaft schränken ihr Nahrungsangebot ein. Um überleben zu können brauchen Bienen Blütennektar, der nur durch ein ganzjährig vielfältiges Blumenangebot zur Verfügung gestellt werden kann.

(bh)

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