Es ist zum Weinen. Blickt man in die Unterkünfte der Karlsruher Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge, weiß man, dass die Würde des Menschen eben doch antastbar ist. Gleichzeitig wird überall von Willkommenskultur gesprochen.
Vor einem halben Jahr haben sich Ehrenamtliche verschiedener Organisationen im Karlsruher Menschenrechtszentrum versammelt, um gemeinsam eine Nothilfe für die Flüchtlinge zu organisieren, die kurz zuvor in der Gartenhalle im Zentrum von Karlsruhe untergebracht worden waren. Hunderte Feldbetten standen dort, dicht an dicht. Die Menschen waren in einem schlechten Zustand. Zerfetzte Kleidung, keine Schuhe. Mehrere Dutzend Kinder waren krank und hatten Fieber. Zu essen gab es Brot, belegbar mit Wurst oder Käse, wofür es nicht einmal einen Kühlschrank gab. Mitten im Sommer. Morgens, mittags, abends. Es gab keine Duschen. Keine Handtücher, keine Seife, nicht einmal Zahnbürsten. Wenige Tage später waren bereits zahlreiche Spenden im Menschenrechtszentrum eingegangen, und Hunderte Freiwillige halfen dabei, diese zu sortieren und an die Flüchtlinge zu verteilen.
Immer wieder wurden seitdem von der Flüchtlingshilfe die Missstände bei der Versorgung der Flüchtlinge durch das Regierungspräsidium Karlsruhe bemängelt. Immer wieder Vorschläge zur Verbesserung gemacht, das Schaffen der notwendigen Strukturen gefordert. Heute, 6 Monate nach der Eröffnung der ersten Notunterkunft, gibt es immer noch Notunterkünfte. Auf dem Gelände der Mackensen-Kaserne sind über 1000 Menschen in Zelthallen untergebracht, teilweise wochenlang. Sie müssen bei Minus-Temperaturen zu den Sanitäranlagen, die sich in Containern außerhalb befinden.
Andere Flüchtlinge sind in Unterkünften mit mehreren hundert Menschen. Viele haben nichts zum Anziehen, keine Schuhe, keine Jacken, keine Unterwäsche. Darunter zahlreiche Kinder. Über die Erstaufnahmestelle werden sie offensichtlich immer noch nicht ausreichend versorgt. Menschenrechtsverletzungen lassen sie meist über sich ergehen. Sie fürchten, Beschwerden könnten negative Auswirkungen auf die Entscheidung über ihren Asylantrag haben.
Nach monatelanger Kritik an den nicht verschließbaren Sanitäranlagen in einzelnen Außenstellen, bekamen wir schließlich die Rückmeldung, dass es laut Aussagen einzelner befragter Personen nicht problematisch sei, dass diese von Männern und Frauen gemeinsam benutzten Bäder und Toiletten nicht verschließbar seien. Der Schutz der Intimsphäre ist für Flüchtlinge offenbar nicht vorgesehen.
Und so erleben wir immer noch Tag für Tag, wie menschenunwürdig die Unterbringung und Behandlung Schutzsuchender in Deutschland ist. Wie ablehnend die Haltung von Verantwortlichen ist. Mensch könnte meinen, es ist gar nicht gewollt, dass es den Menschen hier besser geht. Es entsteht der Eindruck, die schlechte Unterbringung ist Teil der bundespolitischen Abschreckungspolitik. Es ist längst an der Zeit, dass das Regierungspräsidium und das Land ihren Pflichten nachkommen, damit Ehrenamtliche die Grundversorgung der Menschen einstellen und wieder ihrer eigentlichen Unterstützungsarbeit nachkommen können.
Schutzsuchende brauchen Beistand, sie brauchen Betreuung, Beratung und Unterhaltung, Gesellschaft. Und darauf muss sich die Karlsruher Flüchtlingsarbeit zukünftig wieder voll konzentrieren. Ich bin sehr froh, dass sich so viele KarlsruherInnen an diesem Projekt beteiligen und der menschenunwürdigen Flüchtlingspolitik etwas entgegensetzen. Für sie ist es selbstverständlich, Menschen, die bei uns Schutz suchen, willkommen zu heißen. Sie empören sich über die Zustände, denen Flüchtlinge ausgesetzt sind. Denn nur so bleibt die Hoffnung, dass irgendwann die notwendigen politischen Grundlagen geschaffen werden, die uns tatsächlich zur Verwendung des Begriffs Willkommenskultur berechtigen.