Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Refugees

Vor 25 Jahren (Fortsetzung)

Von der de facto Abschaffung des Asylrechts bis zum Massensterben an den europäischen Außengrenzen

Auszug der SoZ vom Februar 1993

Seit ein paar Monaten hat das Schweigen über das Massensterben an den Außengrenzen der EU auch hierzulande ein Ende. Gegen das Festhalten von Schiffen von Hilfsorganisationen und von Schiffen für die Seenotrettung von Flüchtlingen hat sich die Aktion Seebrücke – Stoppen wir das Sterben im Mittelmeer gebildet.

Bei einer Kundgebung der Aktion SDER in Karlsruhe, an der sich 600 Menschen beteiligten, wies ein Kapitän der Juventa darauf hin, dass das Sterben nicht erst im Meer, sondern weit vorher in der Wüste beginnt. Die Sahara, vor allem die Staaten Libyen und Niger, werden zum Massengrab und Agadez ist zum Drehkreuz für Hunderttausende Afrikaner geworden. Erschütternde Beweise hierfür liefern Berichte und Fotos in der Ausgabe des STERN Nr. 32.

Begeben wir uns jetzt wieder zurück ins Jahr 1993, als die Grundlagen für das heutige Asylrecht geschaffen wurden: Nach der 1. Lesung zur sogenannten „Asylrechtsreform“ wurde die Gesetzesänderung bereits im März durchs Parlament gepeitscht. Der „Kompromiss“, den die Regierungsparteien und die SPD verhandelten, war nichts anderes, als ein Einknicken, das rassistischen Hetzern und Gewalttätern weiter Vorschub leistete. Die vereinbarte „Änderung“ des Artikels 16 Grundgesetz bedeutete die Aushebelung des individuell einklagbaren Rechts auf Asyl und der Rechtsweggarantie für mindestens 80 Prozent der Asylsuchenden. „In diesen Fällen können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.“ Mit anderen Worten – sofortige Abschiebung. Die Vereinbarung enthält weitere Angriffe auf Flüchtlinge, die der Abschreckung dienen. Die Konzentration in Sammelunterkünften und die „Bezahlung“ der „Sozialhilfe“ in Sachleistungen und Bezugsscheinen wurde zur Regel. „Eine deutliche Absenkung der Leistung“ sollte erfolgen.

In den letzten 25 Jahren hat sich im Bereich Geflüchtete wenig positiv entwickelt, wobei die Rechtsentwicklung in der gesamten Europäischen Union (EU) eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, vor allem in Staaten, die sich generell weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, wie Ungarn, Polen und die Slowakei. Rassistische Diskurse, Übergriffe und Lager: Angefangen bei der unsäglichen CDU Kampagne in Nordrhein- Westfalen unter dem Motto „Kinder statt Inder“, gegen die Anwerbung ausländischer Spezialisten, über die Hetze gegen Inhaber eines zweiten Passes bei einer hessischen Landtagswahl, um mit allen Mitteln die doppelte Staatsbürgerschaft zu verhindern, den kruden Thesen eines Herrn Sarrazin, nach denen sich „Deutschland abschaffe“, bis hin zum aktuellen Nazi-Sprech der AfD von der „Umvolkung“. Nicht zu vergessen die Ungeheuerlichkeit des AfD-Politikers Gauland, der ungeachtet der Verantwortung Nazi- Deutschlands für Millionen von Toten die Zeit der faschistischen Diktatur als „Mückenschiss der deutschen Geschichte“ bezeichnete.

Die zahlreichen Angriffe auf Flüchtlinge oder Brandanschläge auf Unterkünfte werden dann verwirrten oder alkoholisierten Einzeltätern, anstatt gewaltbereiten Rechtsradikalen angedichtet. Schon damals in den 90ern haben wir vor Sammellagern gewarnt, wo hunderte von Flüchtlingen, oftmals aus völlig verschiedenen Regionen, mit unterschiedlichsten Religionen und kulturellen Vorstellungen, zusammenpfercht werden – Flüchtlinge, die nicht selten traumatisiert sind, durch Krieg und Bürgerkrieg in ihren Herkunftsländern oder durch entsprechende Ereignisse auf ihrer Flucht, und psychologische Betreuung bräuchten. Das soll einzig und allein der Abschreckung dienen. Die Rückführungsabkommen, die jetzt mit vielen Staaten unterzeichnet werden, sollen die „Rückführung“ für die deutschen Behörden stark erleichtern. Was die zahlreichen Abschiebungen angeht, scheint es keinerlei Abschiebehindernisse mehr zu geben. Im Falle Afghanistans ist selbst eine Offensive der Taliban kein Grund, Abschiebeflüge erst einmal auszusetzen.

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