Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Initiativen/Stimmen der Stadt

„DemokratieJA“ / “DemocraciaSim“

Erfahrungen und Reden einer Kundgebung

Foto: Benjamin Krüger

Am 01. Januar 2019 wird JairBolsonaro, der politisch zum ultrarechten Lager zählt, das Präsidentenamt in Brasilien übernehmen. Mit den Worten „Meine Säuberungen werden umfassend sein“, drohte Bolsonaro bereits vor seinem Wahlerfolg seinen politischen Gegnern. Auch in Deutschland ist die Sorge groß. Die Kooperation Brasilien e.V. (KoBra) bittet bereits kurz nach der Wahl Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz um Kontakte zu Menschen, die Geflüchtete aufnehmen. Und auch in Karlsruhe macht sich die Sorge breit. Am 04.November fand unter dem Motto „DemokratieJA/DemocraciaSim“ eine Kundgebung auf dem Marktplatz statt. Im Aufruf zu Kundgebung heiß es:„Brasilien ist das neueste Beispiel für den Erfolg einer diffamierenden politischen Kampagne, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer religiösen oder politischen Anschauung diskriminiert.“ […] „Von Hass geprägte politische Diskurse polarisieren immer mehr Gesellschaften und schüren Rassismus, Diskriminierung und Gewalt. Diese Tendenz gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Pluralismus und damit die Demokratie“.

Bei Alena und Lais ist die Besorgnis über die Veränderungen, die die Wahl Bolsoaro mit sich bringen wird groß. Vor allen beschäftigt sie die Spaltung innerhalb der Gesellschaft nicht nur in Brasilien. Sie kennen die Situation in Brasilien. Alena hat selber einige Jahre in Brasilien gelebt. Lais ist aus Brasilien zum Studieren nach Karlsruhe gezogen. Nicht zuschauen, etwas sagen, die Stimme erheben – deshalb haben Sie die Kundgebung organisiert. Immer wieder bleiben Passanten interessiert stehen. Noch vor Beginn der Kundgebung erklärt Alena interessierten Menschen die Situation. Kurz vorher fand die Kundgebung von „Pulse of Europa“ statt. Einige der Teilnehmenden kommen anschließend noch auf den Marktplatz.

In ihrer Rede macht Alena darauf aufmerksam, dass die Wahl in Brasilien– immerhin der drittgrößten Demokratie der Welt – auch globale Auswirkungen hat: „Die angekündigte Zusammenlegung des Agrar- und Umweltministeriums droht die großen Fortschritte des Umweltschutzes in Brasilien wieder rückgängig zu machen. In den letzten 15 Jahren konnte die Abholzung des Amazonasregenwaldes, durch größte Anstrengungen um über 80% reduziert werden, durch das Umweltministerium, durch eingerichtete Reservate und Naturschutzgebiete. Wenn dieser Erfolg wieder rückgängig gemacht wird, und Brasilien auf ehemalige Abholzungsraten zurückfällt, hat das merkliche Konsequenzen für das Weltklima. Es bedeutet einen zusätzlichen CO2 Ausstoß, im Umfang desgesamten Ausstoßes Deutschlands“, sagt Alena. Bolsonaro wir der 8. Präsident nach der Militärdiktatur sein. Lais ist es ein Anliegen die Errungenschaften zu erhalten: „Die Demokratie Brasiliens wurde bereits durch lange andauernde autoritäre Regime unterbrochen. Zum Beispiel während der Ära Vargas in den 1930’er Jahren oder zuletzt während der Militärdiktatur von 1964-1979. Zu dieser Zeit wurde Opposition und Widerstand als Verbrechen behandelt. Zensur und Repression zeichneten diese Zeit aus. Ich war damals noch nicht auf der Welt, aber ich respektiere den Widerstand der Menschen, die damals gefoltert wurden weil sie sich dem Autoritarismus widersetzten. Dass wir heute hier sein und debattieren können, verdanken wir auch ihnen. Die erneute Bedrohung dieser Freiheit kündigt sich schon an“.

Sehr enttäuscht sind beide über die Tatsache, dass viele in Deutschland lebende Brasilianer*innen für Bolsonaro gestimmt hätten. Deshalb sei auch die Unterstützung aus der brasilianischen Community sehr dürftig. Umso wichtiger ist die Solidarität von NGOs und anderen politischen Gruppen. Sie wollen auf jeden Fall nicht aufhören und weiter auf die Situation in Brasilien aufmerksam machen. Vielleicht schließen sich beim nächsten Mal weitere Gruppen dem Protest an.

——————————————————–REDEN————————————————

Kundgebung 04.11.2018 – DemocraciaSIM / DemokratieJA – Karlsruhe Marktplatz

 Alena Israel:

„Der emotional aufgeladene und von Hass geschürte Wahlkampf in Brasilien hat die von Ungleichheit geprägte Gesellschaft noch weiter gespalten. Das ohnehin schwache Vertrauen in das politische System wurde über die letzten 2 Jahre systematisch ein ums andere Mal erschüttert und hat in diesem Wahlkampf sein Tiefpunkt erreicht.

Wir wollen heute nicht gegen die Ergebnisse der Wahl protestieren. Auch wenn es sehr schwer fällt diese zu akzeptieren. Es ist jetzt von höchster Relevanz den tiefen Spalt in der Gesellschaft zu kitten. Es muss wieder möglich sein, am Sonntag gemeinsam mit der Familie zu essen, sich mit alten Freundinnen und Freunden zu treffen, mit der Familie in der Ferne zu telefonieren, auch wenn sie zu den 55% gehören, die wir nicht mehr verstehen.

Gleichzeitig muss unbedingt eine starke Opposition aufgebaut werden um die Demokratie zu retten. Deshalb sind wir heute hier um unsere Solidarität mit allen Brasilianer*Innen und Brasilianern auszudrücken, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer religiösen oder politischen Anschauung diskriminiert und bedroht werden.

Wir sind hier um den Wahlkampf hinter uns zu lassen und genau zu beobachten wie die neue Regierung aufgebaut wird und welche Maßnahmen getroffen werden. Sobald diese gegen das Prinzip einer pluralistischen Demokratie verstoßen, Menschenrechte verletzen und  Gewalt verbreiten werden wir aufstehen und uns wehren! Die ersten Maßnahmen und Nennungen der Minister sind bereits Grund uns heute hier zu versammeln:

Die angekündigte Zusammenlegung des Agrar- und Umweltministeriums droht die großen Fortschritte des Umweltschutzes in Brasilien wieder rückgängig zu machen. In den letzten 15 Jahren konnte die Abholzung des Amazonasregenwaldes durch größte Anstrengungen um über 80% reduziert werden. Eben durch das Umweltministerium, durch eingerichtete Reservate und Naturschutzgebiete. Wenn dieser Erfolg wieder rückgängig gemacht wird, und Brasilien auf ehemalige Abholzungsraten zurückfällt hat das globale Konsequenzen. Es bedeutet einen zusätzlichen CO2 Ausstoß im Umfang dessen von ganz Deutschland.

Des Weiteren wurden Minister ernannt und bestätigt die höchst umstritten sind:

Moro ist als Justizminister bestätigt. Er ist aktuell Bundesrichter und in die umstrittene Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten Lulas involviert. Er ist umstritten, da er eine einseitige Anti Korruptions-Kampagne geführt hat, die sich auf die hauptsächlich auf die Opposition konzentriert  hat. Gegen weitere hohe Politiker wurden die Ermittlungen, trotz Beweise, eingestellt. Die Entscheidung ihn als Justizminister zu berufen, ist ein Angriff auf die Opposition und lässt den Graben in der Gesellschaft noch tiefer werden.

Auch die Ernennung des General Heleno als Verteidigungsminister, der für den Einsatz von Scharfschützen wirbt, ist eine Gefahr für die Einhaltung der Menschenrechte. Die Erlaubnis, jeden möglicherweise Bewaffneten ohne unmittelbare Lebensgefahr zu erschießen, ist ein Angriff auf brasilianisches und internationales Recht.

Die Legalisierung von Waffenbesitz in einem Land, wo es im letzten Jahr über 60.000 Morde gab und wo über 90% der Morde nicht einmal zu einer Anklage führten ist schlicht menschenverachtend.

In Anbetracht dieser Maßnahmen und eben nicht um die Spaltung in Brasilien noch weiter voranzutreiben, sind wir heute hier. Um zu zeigen, dass die neue Regierung in Brasilien unter internationaler Beobachtung steht und um unsere Solidarität mit allen Brasilianier*Innen und Brasilianern auszudrücken, die diskriminiert und bedroht sind.

Ja zur pluralistischen Demokratie in Brasilien und überall! Herz statt Hetze!!“

 

Laís Alves:

„Durante aorganizaçãodesteatorecebemosmuitascriticas. Muitasdelasbaseadas e que nada aconteceuainda para se criarumaresistênciapolíticaou que estamosamargurados com o resultado das eleições.

Isto é proveniente da constanteinercia do brasileiro de só se manifestarquandotodas as instituiçõesestãoenfraquecidas e também é o efeito da polarizaçãoideológicaondesóexistemdoisextremos: de um ladoosdefensores do PT – rotuladoscomoladrões e corruptos e do outro os que quere combater a corrupção a todocusto. Tanto que elegera u ex-militarcujo vice-presidente é u general do exércitobrasileiro. Ambos jáproferiradiscursosabsurdos de completodesrespeito a algunsgrupossociais (negros, homossexuais, índios e até contra pessoas que se oponhapoliticamente à ele.).

Queremosatravésdesteatosimbolizarumaunião com o Brasil. O efeitodestacandidaturaainda é nebuloso, mas o bemmaiorjáaconteceu: estamosunidosnumaresistênciapolítica. Estaraquiexpondo o que osaflige e apoiandotambémpessoas do mundotodo que vêemseupaís um caos e chorampornãopoderemmudarestasituação. Pormim e porestaspessoas que estamosaqui, fora da nossa zona de conforto.

A governançademocrática no Brasilfoiinterrompidaporlongosperíodos de regimes autoritários, porexemplona Era Vargas e 1930 e o maisrecenteepisódio de ditaduramilitarocorreu e 1964 e durouaté 1979. Nesteperíodo a oposiçãoao regime militar era tratadacomo crime. Censura e repressãoforammarcasdestaépoca. Eunãoviviestapassagem da história mas respeito a lutadaqueles que foramtorturadosao se oporem a qualquerautoritarismo. E se podemosestaraquihojediscursandodevemosistoaestaspessoas.

Estaameaça se anuncianovamente. Uma mudançanum regime políticonãoacontece da noite para o dia. Queremosalertar as esferassociais para essapossibilidade e trazer à pauta a discussão do futuropolítico do Brasil e do mundodiante de tantosdiscursos de ódio e intolerânciajámencionadosporlíderes de diversasnações.

Gostaríamos de ouvirosanseio do próximo e lutarmosemconjunto. Neste exemplo do Brasil umaparte da população se sentederrotada. Mas, eunãoenxergocomoumaderrota. Euenxergoumavitórianosunirmosnumúnicoobjetivo que é a criação de umaunidadepolíticaopositora forte para combater a intolerância e defender a liberdadenosmaisdiversosterritórios.“

Sinngemäße Übersetzung

Während der Organisation dieser Veranstaltung haben wir viel Kritik erfahren. Wir wurden als schlechte Verlierer*Innen dargestellt. Uns wurde entgegnet, dass doch noch nichts passiert sei um jetzt schon Widerstand zu leisten. Das zeigt die Trägheit vieler Brasilianer*Innen, sich erst zu mobilisieren, wenn bereits alle Institutionen geschwächt sind. Und es ist auch das Ergebnis einer ideologischen Polarisierung, durch die es nur noch zwei Seiten gibt: auf der einen die Befürworter der Arbeiterpartei – als Diebe und Korrupte abgestempelt- und auf der anderen Seite diejenigen die die Korruption um jeden Preis bekämpfen wollen.

Dies hat soweit geführt, dass tatsächlich ein ex-Militär als Präsident und ein General als Vize-Präsident gewählt wurden. Beide führen einen antidemokratischen, gewaltverherrlichenden Diskurs und diskriminieren soziale Gruppen wie Afrobrasilianer*Innen, indigene Gruppen, Homosexuelle und die politische Opposition.

Wir wollen mit der heutigen Veranstaltung die Vereinigung mit Brasilien symbolisieren. Die Auswirkungen des Wahlergebnisses sind noch nebulös, aber das Wichtigste geschieht bereits: wir sind im politischen Widerstand vereint. Dass wir heute hier sind um unsere Angst zeigen und

Menschen auf der ganzen Welt unterstützen, die ihre Länder im Chaos sehen und sich ohnmächtig fühlen. Für mich und für diese Leute bin ich heute hier, außerhalb meiner Komfortzone.

Die Demokratie Brasiliens wurde bereits durch lange andauernde autoritäre Regime unterbrochen. Zum Beispiel während der Ära Vargas in den 1930’ern oder zuletzt während der Militärdiktatur von 1964-1979. Zu dieser Zeit wurde Opposition und Widerstand als Verbrechen behandelt. Zensur und Repression zeichnen diese Zeit aus. Ich war damals noch nicht auf der Welt, aber ich respektiere den Widerstand der Menschen, die damals gefoltert wurden weil sie sich dem Autoritarismus widersetzten. Dass wir heute hier sein und debattieren können, verdanken wir auch ihnen.

Die erneute Bedrohung dieser Freiheit kündigt sich schon an. Ein Wandel des politischen Regimes geschieht nicht von heute auf morgen. Deshalb sind wir hier um vor dieser Gefahr zu warnen und eine Diskussion über die politische Zukunft Brasiliens und der Welt, im Anbetracht zunehmender Hassreden und Intoleranz von Politikern verschiedener Nationen, zu führen. Wir würden gerne die Sorgen unserer Nächsten hören und gemeinsam kämpfen. Aber ich empfinde das Ergebnis nicht wie eine Niederlage. Ich erkenne den Erfolg in unserer Vereinigung mit dem gemeinsamen Ziel, dass die Gründung einer starken politischen Opposition ist um Intoleranz zu bekämpfen und Freiheit in den verschiedensten Gebieten zu verteidigen.

 

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