Initiativen

Jenseits von Wahlen und Populismus

Kampagne „Solidarische Perspektiven entwickeln

Das “Superwahljahr” 2017 neigt sich dem Ende entgegen. Zum Glück, möchte mensch denken, denn so super ist das Jahr nicht verlaufen:

Ein klarer Rechtsruck fand nun auch im Bundestag statt. Die rechtspopulistische, nationalistische AfD ist mit zweistelligem Ergebnis ins bundesdeutsche Parlament eingezogen, bei den Jamaika-Verhandlungen wurde eine Obergrenze zur Aufnahme von Geflüchteten festgelegt, das Polizeigesetz verschärft und soziale Themen sind weiter in den Hintergrund gerückt.

Die Libertäre Gruppe Karlsruhe (LGKA) hat im Rahmen der Kampagne „Solidarische Perspektiven entwickeln – jenseits von Wahlen und Populismus”, der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA), in den letzten Monaten vermehrt Veranstaltungen zum Thema Wahlen, Parlamentarismus, gesellschaftspolitischen Problemen und möglichen Alternativen dazu durchgeführt. So startete unsere Reihe im Juli mit einem Brunch, der den Besucher*innen die Grundidee der Kampagne näher gebracht hat; weiterführend gab es Vorträge und Workshops zur Nationalismuskritik, zur Bedeutung von Freiräumen (für soziale Bewegungen), Sexarbeit oder zum Konsensprinzip – welches eine Alternative zur weitläufig angewandten Praxis der Mehrheitsentscheidungen darstellt. Ebenso konnten Interessierte Vorträge über die zapatistische Bewegung in Mexiko, die Revolution in Rojava, über Rätestrukturen und Anarchie bzw. anarchistische Ideen besuchen.

Anregungen zum Mitmachen boten sich beim Umsonstflohmarkt – der bereits in vergangenen Jahren zu den beliebtesten Events der LGKA gehört hat. Hier wurde neben dem Umsonstflohmarkt selbst eine Auswahl an Mitmachmöglichkeiten geboten: so konnte mensch neben einem Einblick in eine Siebdruckwerkstatt auch an der Entstehung einer Radiosendung mitmachen, welche noch am selben Abend ausgestrahlt wurde.

Kritik und Protest in die Öffentlichkeit getragen

Aber nicht nur Infoveranstaltungen, Workshops und Angebote zur Selbstbeteiligung gehörten zur Kampagne, auch Kritik wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Justizminister und SPDler Heiko Maas musste sich bei seinem Besuch in Karlsruhe im August den Protest gegen die kurzfristig durchgesetzten Überwachungsmaßnahmen der scheidenden Bundesregierung gefallen lassen.

Die Sperrung der unabhängigen Nachrichtenplattform „Linksunten”, die während der heißen Phase des Wahlkampfs stattgefunden hat, nahmen und nehmen wir genauso wenig auf die leichte Schulter, wie die Repressalien rund um den G20-Gipfel in Hamburg. Beide Ereignisse wurden mit spontanen Demonstrationen in Karlsruhe bedacht, welche die LGKA wohlwollend unterstützte.

Weitere Protestaktionen zur Jährung der Pogrome in Rostock-Lichtenhagen und dem Besuch Christian Lindners (FDP) folgten.

Durch Flugblätter, Plakate und Pressemitteilungen, sowie weiteren Infomaterialien konnten wir unsere Kritik und politische Inhalte stets an die Öffentlichkeit bringen und damit einen, wenn auch noch immer kleinen Gegenpol zum oft inhaltsleeren und populistischen Stimmenhandel der Parlamentarier*innen bilden.

Repression

Als erwähnenswert finden wir es an dieser Stelle, dass sich die Partei „Die Linke“ von Personen, welche sich im Sympathieumfeld der LGKA bewegen, besonders vor das Schienbein getreten fühlte. So nahmen scheinbar einige Genoss*innen die Möglichkeit war, Plakate und Aufkleber zur Kampagne über bereits hängende Wahlplakate aller zur Wahl stehenden Parteien zu kleben – so kam es, dass nicht nur die Plakate der üblichen Verdächtigen, AfD, CDU/CSU, Bündnis 90/ Die Grünen, SPD und FDP, sondern auch die Plakate der Partei „Die Linke“ überklebt wurden.

Unglücklicherweise wurden zwei Genoss*innen von einer Polizeistreife kontrolliert, in Gewahrsam genommen und infolge dessen erkennungsdienstlich behandelt. Das Vergehen: Mitführen von Kampagnenplakaten.

Das eigentlich – für uns – unfassbare ereignete sich zeitnah auf diese Ereignisse:

So wurde den Genoss*innen mitgeteilt, dass ihre Daten, trotz mangelnder Beweislast, allen Parteien mitgeteilt wurde – ebenfalls der AfD, die zu diesem Zeitpunkt bereits Belohnungen für die Ergreifung von Personen, welche ihre Plakate beschädigen oder unkenntlich machen, ausgesetzt hat. Dieses Verhalten seitens der Sicherheitsbehörden ist untragbar, im politisch außerparlamentarischen Tätigkeitsfeld gefährdet dies die Unversehrtheit der Aktivist*innen – wozu Nazis, Rassisten und Faschisten imstande sind, hat sich im Verlauf der Geschichte oft genug gezeigt.

Nachdem den Parteien nun die Daten der Genoss*innen mitgeteilt wurde, haben sich bereits Personen aus dem Umfeld der Partei „Die Linke“ mit den Genoss*innen und kurz darauf auch mit uns in Verbindung gesetzt. Der Forderung nach einer Stellungnahme – über die weniger offiziellen Kommunikationswege wurde an dieser Stelle bereits mit Anzeige gedroht (scheinbar auf Drängen des Bundesvorstands) und der darin enthaltenen Aufforderung zum Unterlassen der Kritik, konnten wir nicht nachkommen. Stattdessen haben wir einige Tage später eine öffentliche Stellungnahme zur Umgestaltung von Wahlplakaten herausgegeben.

Warum „Die Linke“ sich durch eine Verschönerung ihrer Plakate persönlich angegriffen fühlt, wissen wir nicht. Dennoch lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, dass einige Menschen der Partei „Die Linke“ unsere Ideen und Ziele nicht verstanden haben. Dies verwundert uns leider nicht, da „Die Linke“ selbst Teil eines Systems ist, das die Ausbeutung der ärmeren Bevölkerungsschichten legitimieren und verwalten soll: des Parlamentarismus.

Fazit

Insgesamt wertet die LGKA den Verlauf der Kampagne „Solidarische Perspektiven entwickeln – jenseits von Wahlen und Populismus“ sehr positiv. Die Veranstaltungen waren fast durchweg gut besucht, es konnte sich mit vielen neuen Interessierten ausgetauscht werden, sowie unterschiedliche Themen besprochen und in die Öffentlichkeit getragen werden.

Dass sich verschiedene Personen und Institutionen durch die LGKA auf den Schlips getreten fühlen und gar versuchen uns mundtot zu machen, bestätigt uns in unserer Kritik.

Die parlamentarische Demokratie mit ihren Strukturen und Institutionen werden stets als alternativlos und als das non plus ultra dargestellt. Die einzigen Antworten, welche diese auf stichhaltige Kritik kennen sind Macht, Unterdrückung und Repression. Eine progressive politische Auseinandersetzung kann so nie geführt werden.

Darum heißt es für uns auch in Zukunft: „Solidarische Perspektiven entwickeln – jenseits von Wahlen und Populismus“!

Alle Informationen zur Kampagne in Karlsruhe

Dieser Beitrag findet sich auch in der aktuellen Ausgabe der Gaidao.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht

*