Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Bilderrätsel

Kulturhintern von R. Wonner

Auflösung des Bilderrätsels Nr. 11

Foto: kunstportal-bw.de

Auf dem Foto des letzten Bilderrätsels zu sehen ist: der Kulturhintern von Reinhard Wonner.

Dieser streckt sich aus der Fassade einer Halle auf dem Gelände der ehemaligen IWKA (Industriewerke Karlsruhe-Augsburg) im Süd-Westen Karlsruhes, genau an der Stelle, wo heute die Mauern der Bundesstaatsanwaltschaft aus dem Boden ragen, ebenfalls direkt gegenüber der Agentur für Arbeit…

Das Bild muss etwa 1986 entstanden sein. Seit Beginn der Achtzigerjahre nutzten Künstler*innen aus Karlsruhe die Hallen der IWKA als Ateliers. Das Industriegelände beherbergte bis nach dem Zweiten Weltkrieg eine Waffen- und Munitionsfabrik und formatierte sich anschließend. Mitte der 70er Jahre wurde der Produktionsstandort verlegt und wie es in Folge des industriellen Strukturwandels zu der Zeit nicht unüblich war, stand das Gelände seitdem leer. Gleichzeitig fanden progressive Impulse verebbter Ideologien der 1968er zu dieser Zeit in der Kunst zunehmend neuen Raum. So siedelten sich nach und nach ab 1980 vor allem Akademieabsolventinnen in den großen Hallen an und nutzten diese als Ateliers und teilweise auch als Wohnraum. Den Beginn machte Georg Schalla, welcher zuvor sein Atelier im „Dörfle” räumen musste, da dieses umstrukturiert wurde. Die industriellen Leerstände, Orte, welche gesellschaftlich noch nicht vereinnahmt waren, boten ideale Projektions- und Nutzungsflächen als Heterotopien innerhalb der Stadtmauern. Die Hallen der IWKA waren Freiraum und boten den Künstler*innen unvergleichbare Entwicklungsmöglichkeiten.

Henri Lefebvre, ein französischer Soziologe des 20. Jahrhunderts, welcher sich viel mit Stadtentwicklung befasste, vertrat die Theorie, der Mensch sei immer Ergebnis seiner Umgebung. So stand es auch mit den Künstler*innen vor Ort. Die Fassaden wurden bemalt, die Glasfenster, Wasserlöcher wurden in den Boden eingelassen. An kaum einem anderen Ort hätte man die Möglichkeit gehabt, ähnlich grenzenlos zu experimentieren. 1986 wurden die Hallen aufgrund der Verbreiterung der angrenzenden Brauerstraße abgerissen, als Reaktion formierten die Künstler*innen vorher den „Letzten Arbeitsbericht”, eine öffentlichkeitswirksame Ausstellung mit musikalischen Performances auf dem Gelände – Teil dessen war auch der „Kulturhintern“. Danach änderte sich die Situation auf dem Gelände, die Künstler*innen zogen in das einzig stehengebliebene Gebäude, den Hallenbau A, und zahlten der Stadt Karlsruhe dafür symbolische Mieten. Auch der Hallenbau A hätte Ende der Achtzigerjahre nach einem Gemeindebeschluss abgerissen werden sollen. Durch die Aktionen der Künstler*innen entflammte jedoch Interesse an dem 312 Meter langen Gebäude. Heinrich Klotz, Gründer des ZKM und der HfG plädierte für dessen Erhaltung – erfolgreich. Im letzten Akt entstand noch eine große Ausstellung mit Mitteln der Stadt: 99,9999999999999 % aus leerem Raum. Diese war im Rahmenprogramm der World Games verankert, welche 1989 in Karlsruhe stattfanden. Die Ausstellung, beziehungsweise ein Kulturfestival mit großzügigem Programm, zog etliche Besucherinnen an, war ein eindrucksvolles Beispiel für das „pulsierende Kulturleben” in der Stadt und ausschlaggebender Anreiz dafür, dass der Hallenbau A schließlich nicht abgerissen wurde. Einzig für die Künstler*innen blieb darin kein Platz mehr. Ihnen wurden von der Stadtverwaltung andere Ateliers angeboten, welche bis vor kurzem unter dem Namen „Ateliers hinterm Hauptbahnhof” bekannt waren. Dort hätten ZKM und HfG ursprünglich einziehen sollen.

Wie es scheint, sind diese pulsierenden Jahre, als die IWKA-Hallen belebt wurden, in der Stadtgeschichte im Nachhinein untergegangen. Sie sind jedoch ein wichtiges Beispiel dafür, was möglich ist, wenn sich Freiräume im urbanen Raum auftun und zeigen, wie wichtig diese für eine organisch-dynamische Stadtentwicklung sind.

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