Arbeitswelt

Mindestlohns in Karlsruhe

Einschätzungen zur Umsetzung

8,50 Euro – Seit Januar diesen Jahres gilt der gesetzliche Mindestlohn. (Foto: Florian Kaufmann)

Seit Beginn des Jahres sollte bei dem leidigen Thema prekäre Beschäftigung und Mindestlohn eigentlich ein wenig Ruhe eingekehrt sein. Nach zehnjähriger Debatte ist es den BefürworterInnen einer gesetzlichen Regelung gelungen, Parlament und Bundesregierung zum Mindestlohngesetz zu treiben.

Nicht das Ende der Fahnenstange

Es ist klar, dass die knappen 8,50 € Mindeststundenlohn nicht das letzte Wort sein können und dürfen. Kaum vorstellbar, dass eine Familie bei den hohen Lebenshaltungskosten in Karlsruhe von einem daraus resultierendem Monatslohn existieren kann. Erwähnt werden muss allerdings, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns der größte gewerkschaftliche Erfolg bei einer gesellschaftspolitischen Frage seit der Einführung der 36 Stundenwoche ist. Letztere existiert zwischenzeitlich in vielen Bereichen nicht mehr.

Bemerkenswert ist zudem, dass der Impuls zur Debatte von der verhältnismäßig kleinen Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) ausging. Und erst nachdem ver.di sich der Forderung anschloss, unterstützten auch die anderen Gewerkschaften die Forderung.
Während das Thema in den ostdeutschen Bundesländern und im tiefen Westen noch von starkem Medieninteresse begleitet wird, scheint es im Südwesten, wie in Karlsruhe nur noch eine Randnotiz zu sein.

Die Tricks hinter den Kulissen

Karlsruhe ist eine Technologie-, Verwaltungs- und Dienstleistungsstadt. Oberflächlich betrachtet scheint die Arbeitswelt in Ordnung zu sein. Die regionale Geschäftsstelle der Bundesagentur für Arbeit meldet Zahlen, die nahe an der Vollbeschäftigung liegen. Lediglich eine seit Jahren auffällig hohe Anzahl von „Langzeitarbeitslosen“ gilt von Amts wegen als ein gewisses Problem. Wer mit offenen Augen durch die Stadt läuft, erkennt jedoch spätestens auf den zweiten Blick, dass in der Praxis auf dem städtischen Arbeitsmarkt nicht alles so beschwingt und entspannt zugeht, wie es von offizieller Seite gerne dargestellt wird.

Wer die Filialen der Bäckereiketten besucht, um sich seine Brötchen zu kaufen, merkt schnell, dass oft mehrfach am Tag eine andere Verkäuferin hinter der Theke steht. Vollzeitjobs gibt es in dieser Branche kaum noch. Tariflohn erhalten die meist weiblichen Beschäftigten nur, wenn der Betrieb an die Regelungen zwischen der NGG und der BäckerInnen gebunden ist. Hierzu gehört auch die persönliche Gewerkschaftsmitgliedschaft. In einigen Betrieben wird den Beschäftigten jedoch weder der Tariflohn noch der Mindestlohn bezahlt. Beliebtes Argument der Arbeitgeber ist die geringe Größe der Geschäfte, die die Bezeichnung Betrieb gar nicht rechtfertigten.

In der Systemgastronomie (McDonald`s, Burger King, Pizza Hut etc.) haben die Arbeitgeber die Auseinandersetzung mit der NGG im Winter 2014/15 verloren, als sie den Mindestlohn mit Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld verrechnen wollten. Doch die Masche wird von einigen Arbeitgebern weiter versucht. Problematisch ist, dass einschlägige Unternehmen gerade dabei sind, ihre Filialbetriebe an Franchise Unternehmen zu veräußern. (Vielleicht erinnert sich noch jemand an die Fa. Yi-Ko und den entsprechenden Skandal der mangelnden Hygiene und auch den Versuch, Betriebsratswahlen zu unterlaufen).

Falsche Eingruppierungen und Lohnabrechnungen

Ein Großteil der Beschäftigten arbeitet in den Tarifgruppen, die seit Januar etwas über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Wir wissen allerdings, dass nicht wenige Kolleginnen und Kollegen für Tätigkeiten im Betrieb unterhalb des angemessenen Entgelts bezahlt werden. Das betrifft vor allen Dingen Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch Schülerinnen und Schüler sowie Studierende.

Besonders einfallsreich bei der Aushöhlung oder Umgehung des Mindestlohns sind jedoch einige Gastronomen. Es sei angemerkt, dass der heimische Hotel- und Gaststättenverband, samt Mitgliedern, zu den sehr einflussreichen im „Ländle“ gehört. Neben der offiziellen, politischen Einflussnahme in Sachen Dokumentationspflicht und der aktuellen Forderung nach einem 12-Std. Arbeitstag gibt es eine weitere interessante Vorgehensweise. So wird in einigen Betrieben der Grundlohn als Stundenlohn à 8,50 € bezahlt. Danach gibt es dann diverse Zuschläge als Einmalzahlungen oder als monatlich pauschalierte Sonn- und Feiertagszulagen. Bei der Überprüfung verschiedener Lohnabrechnungen lässt sich dann feststellen, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zwar dem Nettoentgelt nahekommen, der sich aus dem tariflichen Bruttolohn errechnen lässt. Die Abrechnung selbst stimmt allerdings nicht. Nicht nur, dass die Betroffenen ihre Arbeitskraft deutlich unter Wert zu Markte tragen, sie beteiligen sich dadurch streng genommen unfreiwillig sogar am Sozialversicherungsbetrug. Beschäftigte in der Branche, die sich gegen diese „Spielchen“ ihrer Arbeitgeber wehren, haben zur Zeit gute Chancen, ihre Interessen durchzusetzen.

Die tricksenden Arbeitgeber, können ihr Risiko gut einschätzen. Nicht erst seit dem gesetzlichen Mindestlohn gehört es zur wirtschaftlichen Kalkulation, dass von 10 Beschäftigen ein oder zwei ihre Interessen durchsetzen. Unter dem Strich haben sie aber immer noch gespart. Nämlich bei den Leuten, die, ohne sich zu wehren, für ihr knappes Geld hart arbeiten müssen.

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