Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Arbeitswelt

„Neue Rechte“ im Betrieb

Wie Nationalisten in Betriebsräten Einfluss gewinnen

Der politische und gesellschaftliche Rechtsruck ist mittlerweile überall spürbar. Während die bayrische CSU die AfD politisch tangiert, wird der Widerspruch innerhalb der gesellschaftlichen „Mitte“ leiser. Auch im parlamentarischen Treiben sind „neue Rechte“ Akteure bereits etabliert. Im betrieblichen Alltag soll der „nationale Gedanke“ nach Willen von „Ein Prozent“ und dem 2010 gegründeten Verein „Zentrum Automobil“, in Kooperation mit dem Querfront- und Verschwörungsmagazin „Compact“ und der AfD, mehr Raum einnehmen. Dieser Raum soll über Betriebsräte erkämpft und verteidigt werden. Erste Erfolge konnten sie bei den diesjährigen Betriebsratswahlen in den Daimlerwerken Rastatt, Sindelfingen und Untertürkheim, erzielen und insgesamt 11 Mandate erstreiten. Auch beim Motorsägenhersteller STIHL waren sie bereits erfolgreich. Weitere Mandate sollen in anderen Betrieben folgen.

Das Vorgehen wurde auf der COMPACT-Oppositionskonferenz in Leipzig 2017 vorgestellt. Jürgen Elsässer formuliert die Bestrebungen, die mit „Zentrum Automobil“ vorangebracht werden sollen, wie folgt: „Alle Räder stehen still, wenn mein blauer Arm es will.“ Neben Elsässer traten Björn Höcke (AfD), Lutz Bachmann (Pegida) und Martin Sellner (Identitäre Bewegung) als Redner auf der Konferenz auf. Ziel der Konferenz war es, die Verzahnung zwischen AfD und weiteren Akteuren voranzutreiben. Auch der Vorsitzende des Vereins „Zentrum Automobil“, Oliver Hilburgerdurfe ans Rednerpult. In seiner Rede beschwört er eine linke Gefahr in den höchsten Gewerkschaftskreisen herbei, denen er die Stirn bieten müsse. Den Einheizgewerkschaften – wie er sie nennt – wirft er vor, gekauft zu sein und die Arbeitnehmer*Innen zu verraten.

Zudem trat Hilburger, Mitte Februar 2018, auf der Pegida-Demo in Dresden auf. In der extremen rechten Szene ist Hilburger kein unbeschriebenes Blatt. Bis 2008 trat er als Gitarrist in der Neonaziband „NoieWerte.“auf, deren Lieder gerichtlich als in Teilen gewaltverherrlichend, nationalsozialistisch und verfassungsfeindlich eingestuft wurden. Aufgrund der Unterlegung einer Vorgängerversion des NSU Bekennervideos mit Liedern der Band musste Hilburger vor dem NSU-Ausschuss im Landtag aussagen. Zur Motivation der 2018 stattfindenden Betriebsratswahlen bei Daimler äußert er sich ähnlich deutlich wie Elsässer: „Wir müssen der internationalistischen Linken die Stirn bieten.“

Im Vorstand von „Zentrum Automobil“ sind weitere Mitglieder mit einer unverkennbaren neofaschistischen Vergangenheit. Hans Jaus wurde 1991 zum Bundesschatzmeister der mittlerweile verbotenen Wiking-Jugend gewählt und verwaltete „Gaubereich Schwaben“. Jetzt kümmert er sich um die Finanzen von „Zentrum Automobil“. Listenführer im Daimlerwerk Rastatt, Tobias Gerstner, mutmaßliches Mitglied der „Kameradschaft Rastatt“, soll unter anderem 2006 maßgeblich an der Organisation von Rechtskonzerten im „Rössle“ in Söllingen, in Kooperation mit Aktivisten des verbotenen Blood &Honour Netzwerks sowie 2009 an der Organisation eines „nationalen Volleyballturniers“ im Murgtal mitgewirkt haben.

Die IG Metall beklagt derweil eine klaffende Lücke zwischen rechter Listen und der Realität in der medialen Berichterstattung. In einer Mitteilung vom 01. März schreibt die IG Metall: „Derzeit stellt die IG Metall in den von ihr vertretenen Branche rund 55.700 Betriebsräte in über 11.000 Betrieben. Rechtspopulistische und rechtsradikale Listen sind die Ausnahme.“ Die IG Metall wolle in Zukunft klar Flagge gegen Rassismus und Chauvinismus zeigen. Der Sozialwissenschaftler K. Dörre hingegen bescheinigt, im Gespräch mit MDR, 15 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder*Innen hätten bei der Bundestagswahl die AfD gewählt. „Man ist für gerechte Löhne, aber bevorzugt eben für ‘Bio-Deutsche’“, wird Dörre zitiert. Die Gewerkschaften sind gefragt, sich ihrer Tradition als linke Kraft zu besinnen.

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1 Kommentar

  1. Und die Linken sind gefragt, sich auf ihre Tradition kämpferischer Solidarität in der Arbeiter*innenbewegung zu besinnen. Liebe Leute: ohne euch läuft es nun einmal nicht so gut wie es laufen könnte. Wir brauchen euch in den Gewerkschaften, und wir brauchen euer aktives Engagement in eurem Betrieb und in eurem Stadtteil.

    Entweder wir bewegen gemeinsam etwas und wecken die Hoffnung, dass es sich lohnt, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Oder viele Arbeiterinnen und Arbeiter werden in ihrer Verzweiflung versuchen, aufgrund ihrer Nationalität einen kleinen Bonus zu bekommen, und das Ganze wird irgendwann wieder böse enden.

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