Stadtleben

…und was gibt es sonst noch am 1. Mai?

Plädoyer für die Vernetzung sozialer, ökologischer und gewerkschaftlicher Kämpfe

Der 1. Mai sollte für so viel mehr als nur für Bockwurst mit Brötchen stehen. Aufgefächert e.V. beteiligt sich am Fest des DGB im Stadtgarten mit einem Stand. (Foto: Jan Krüger)

Bei strahlendem Wetter unter freiem Himmel herrscht gelöste Stimmung. Während die ersten Redner versuchen, die Stimmung anzuheizen, laufen regionale Gewerkschaftssekretäre, meist in wichtiger Funktion bei der SPD,  geschäftig über den Platz. Eine Musikkapelle spielt auf. Es wird gesprochen und diskutiert, bis der Hauptredner kommt.

So lesen sich die Berichte über die ersten Feiertage am 1. Mai, den die Gewerkschaften vor jetzt 126 Jahren, zunächst als halben Feiertag, durchsetzten. So wirklich anders als die Maifeiern, die wir heutzutage aus Karlsruhe kennen, war das damals nicht. Zwar gibt es die Bilder von den großen Kundgebungen und Demonstrationen während der Weimarer Republik, doch in den meisten Städten dürfte die Maifeier eher wie oben geschildert abgelaufen sein.

Dass die Maifeiern heute wie ein beschauliches Fest daherkommen, hat viel mit den politischen Brüchen der vergangenen Jahrzehnte zu tun – beginnend mit dem in den 1980er Jahren eingeleiteten Individualisierungsprozess, dem Mauerfall und dem damit verbundenen Ende der „sozialen Marktwirtschaft“ hin zum oft zitierten globalen „Raubtierkapitalismus“. Das viel zu lange unkritische Vertrauen der Gewerkschaftsspitzen und vieler Betriebsräte in die Sozialdemokratie, die unsozialen und empörenden Hartzgesetze, Einschränkungen bei der betrieblichen Mitbestimmung und das Anwachsen prekärer Beschäftigung haben ihren Teil dazu beigetragen.

Heute haben die Gewerkschaften ihre herausgehobene Stellung gegenüber Umwelt- und Sportverbänden oder anderen NGOs als gestaltende und gesellschaftspolitische Organisation weitestgehend eingebüßt.  Das schwindende Interesse an gewerkschaftlicher Teilhabe derjenigen, die sie nur als individuelle Arbeitsversicherung sehen, einerseits sowie die zunehmende Belastung für Hauptamtliche andererseits, schaffen eine schwierige Ausgangslage für gewerkschaftliche Arbeit. Nur selten gelingt es noch, größere sozialpolitische Ziele, wie die Einführung des Mindestlohns, durchzusetzen.

Doch zurück zum 1. Mai in Karlsruhe. Tatsächlich gibt es bei den Verantwortlichen Gespräche darüber, wie die Maifeier in Zukunft aussehen könnte. Warum nicht vor dem 1. Mai zu einer Aktionswoche für „Solidarität und Gerechtigkeit“ mit Veranstaltungen zu den wichtigen Themen aufrufen: Angefangen beim regionalen Wohnungsmarkt und prekärer Beschäftigung, über Privatisierung bis hin zum Umgang mit Flüchtlingen und dem Kampf gegen Rechtpopulisten. Dann lohnte es sich den 1. Mai, wie er jetzt ist, abzuschaffen und ihn als Höhepunkt einer solchen Woche gemeinschaftlich wieder in voller Kraft auferstehen zu lassen.

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