„Wir sehen uns durch TTIP in unserer Existenz bedroht“, antwortet Jörg Mattusch, Filialleiter der Durlacher Buchhandlung „Der Rabe“, auf die Frage, warum sie sich an der Unterschriftensammlung gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU beteiligen.
Gefahr für demokratische Rechte und Sozialstandards
Bereits seit Sommer 2013 verhandeln die USA und die EU über die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschafts- und Handelsraumes. Gleichwohl die Wirkungen eines solchen Abkommens 820 Millionen Menschen betreffen, in den die Verhandlungen weitestgehend im Geheimen statt. Selbst die gewählten ParlamentarierInnen wissen wenig über den Verlauf. Sie bekommen die Ergebnisse in Form von langen Vertragswerken erst nach Abschluss der Verhandlungen und können dann nur noch den Gesamtvertrag annehmen oder ablehnen. Der Druck, zuzustimmen, ist hoch. Die bislang durchgesickerten Verhandlungszwischenstände lassen nichts Gutes vermuten. Ein Bündnis aus über 300 Organisationen aus ganz Europa hat sich daher zur Durchführung einer selbstorganisierten europäischen Bürgerinitiative (EBI) mit dem Ziel, TTIP zu verhindern, zusammengeschlossen. Sie fürchten unter anderem, „dass in intransparenten Verhandlungen Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, Datenschutz und Verbraucherschutzstandards gesenkt sowie öffentliche Dienstleistungen und Kulturgüter dereguliert werden“.
Gespeist wird diese Sorge aus dem Wissen um große sozialpolitische und ökologische Unterschiede zwischen den USA und der EU. Diese Unterschiede könnten im Zuge der Verhandlungen durch gegenseitige Anerkennung zementiert oder zum Vorteil aller durch Anpassung ausgeglichen werden. Denkbar wäre eine Anpassung der unterschiedlichen Standards beispielsweise dahingehend, dass alle beteiligten Länder verpflichtet wären, mindestens die Standards für Arbeitnehmerrechte und Mitbestimmung desjenigen Landes zu übernehmen, das hinsichtlich des jeweiligen Standards das höchste Niveau erreicht hat. Tatsächlich ist bei den TTIP-Verhandlungen jedoch nicht vorgesehen, die Unterschiede im Sinne der Betroffenen anzugleichen, sondern sie gegenseitig anzuerkennen. Das Kürzel TTIP steht damit für ein neoliberales Freihandelsprojekt, das zum Vorteile einiger, weniger Konzerne die demokratischen, sozialen und ökologischen Standards unter Druck setzt.
TTIP bedroht den Buchhandel vor Ort
Da die Auswirkungen von TTIP vielschichtig sind, wird auch die Kampagne gegen TTIP von einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure unterstützt. So auch von den Buchhändlern. Sie haben sich an einem bundesweiten Aktionstag gegen TTIP beteiligt, weil bekannt wurde, dass im Zuge des Abkommens die Buchpreisbindung fallen soll. Die Buchpreisbindung schreibt bislang vor, dass ein Buch unabhängig davon, wer es vertreibt, zum gleichen Preis angeboten werden muss. Der Wegfall der Buchpreisbindung würde daher die Marktmacht großer Vertriebsstrukturen – wie beispielsweise die des Onlineversandhandels „amazon“ – zweifellos erheblich steigern. Die Effekte, die aus dem Zusammenwirken vom möglichen Fall der Buchpreisbindung und der zunehmenden Marktmacht von großen Versandhandelsunternehmen resultieren, alarmieren Jörg Mattusch. Er führt aus, dass, sollte die Buchpreisbindung fallen, nicht nur die Existenz von Buchhandlungen gefährdet sei, sondern auch die kleinerer Verlage und mit ihnen die Vielfalt von Büchern. Denn gerade bei der Herausgabe von Titeln mit geringer Aulage von 1.000 Stück seien kleine Verlage sowohl auf die Buchpreisbindung für die Kalkulation als auch auf das „beratende“ Vertriebsnetz kleiner Buchhandlungen vor Ort angewiesen.
Bei der Buchhandlung „Der Rabe“ in Durlach haben knapp 100 Kunden und Kundinnen gegen TTIP unterschrieben, die EBI will bis zum Frühjahr 2015 über 1.000.000 Unterschriften gegen TTIP gesammelt haben, Stand 01.12.2014: 978.962. (jk)