Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Bilderrätsel

Gründungsversammlung der Grünen 1980

Auflösung des Bilderrätsels #6

Diese Damen und Herren hätten sich sicherlich keine Koalition mit der CDU vorstellen können. (Foto: Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung)

Ich war als Rastatter Grüne dabei!

Bereits 1979 trafen sich in Rastatt Leute aus der ganzen Gegend, aus dem Murgtal, aus Gernsbach, Gaggenau, Baden-Baden und Lichtenau, um die Grünen mit auszubrüten. Treffpunkt war der „Türkenlouis“ in Rastatt, eine Gaststätte, die schon während der badischen Revolution ein Treffpunkt der Revolutionäre war. Das war der passende Ort! In diesen Jahren entstanden überall in der Bundesrepublik grüne und bunte Gruppen. Manchmal waren sie bei Gemeinderatswahlen bereits erfolgreich, aber bei Landtagswahlen in Hamburg, Niedersachen, Bayern oder Hessen war noch keine Liste über 5 % gekommen.

Handlungsimpuls war damals für mich das 1975 erschienene Buch von Herbert Gruhl „Ein Planet wird geplündert“. Ich verwendete es als Unterrichtsmaterial in der Rastatter Krankenpflegeschule im Fach Sozial- und Umwelthygiene, was der Schule den Ruf der „grünen Schule“ einbrachte und Schülerinnen anregte, nach Brokdorf zu fahren, um gegen den Bau des Atomkraftwerks zu protestieren: So aktive Leutchen waren damals an der Krankenpflegeschule!

Im März 1979 wurde zur Europawahl in Frankfurt/Main das Listenbündnis DIE GRÜNEN als „Sonstige Politische Vereinigung“ (SVP) gegründet, die bei der Wahl mit 3,2 % an der 5%-Hürde scheiterte.

Auch in Rastatt entstand der grüne Kreisverband Rastatt/Baden-Baden: Mein erster Mitgliedsauweis der Grünen mit der Mitgliedsnummer 23 ist auf den 2.11.1979 datiert! Zweieinhalb Monate später war ich mit etwa 1.000 anderen Menschen auf der Gründungsversammlung in Karlsruhe, auch damals dabei viele Frauen.

Die Stimmung in Karlsruhe war so positiv und so quirlig, wie ich es in meinem ganzen Leben nur noch einmal erlebt habe, nämlich 1968 in Prag. Da war es genauso lebendig, überall erklang selbstgemachte Musik, es hat gedudelt und gegeigt aus jedem Kellerloch. Irgendwo war Alexander Dubček, die Leute haben gejubelt und sich gefreut. Über diese Stimmung hinaus hatte man dort das Gefühl, hier findet etwas ganz Besonderes statt. Und die gleiche Qualität und Höhenstufe erreichte dann diese Gründungsversammlung in Karlsruhe.

Gilt heute noch, was damals galt?

Dort sah ich auch Joseph Beuys, der mir nicht als großer Redner aufgefallen ist. Eine Gruppierung fiel allerdings unangenehm auf: Oberökos aus Württemberg und Schleswig-Holstein, braune Blut- und Boden-Leute. Die Richtung der Partei war noch nicht entschieden!

Bei der quirligen aufgeregten Hochstimmung im Saal gab es zahlreiche hitzige Debatten, zum Beispiel über die Forderung nach Abschaffung der Schulpflicht. Auch mitbekommen habe ich, wie die Diskussion über die Freigabe einvernehmlicher sexueller Beziehungen mit Minderjährigen aufkam, die damals aber auf gar keinen Fall hochkommen sollte und heftig bekämpft wurde. Später sorgte das Thema für Tumulte auf Parteiveranstaltungen.

Jede Menge Medienvertreter, Abstimmungen und Grundsatzdiskussionen brachten alle ins Schwitzen. Delegierte wie Antje Vollmer bastelten hektisch an Gegenreden und am Schluss stand eine abgekämpfte Petra Kelly oben auf der Bühne. Mit August Haußleiter und Norbert Mann war sie zur ersten Sprecherin der neu gegründeten Partei „DIE GRÜNEN“ gewählt geworden, die sich im Grundsatzprogramm als „grundlegende Alternative zu den herkömmlichen Parteien“ bezeichnete. Das erste Programm nannte die bekannten Grundsätze: „ökologisch, basisdemokratisch, sozial und gewaltfrei“.

Petra Kelly forderte unter anderem, Tibet zu unterstützten. Dabei verwies sie auch auf den Dalai Lama. Unten stand erzürnt Jutta Ditfurth auf und schalt: „Wenn ich schon höre, wie der mit „Seine Heiligkeit“ angeredet wird! DieTibeter werden nur in den Klöstern dumm gehalten.“ Jutta, die Vertreterin des linken Flügels, wurde eine ausgezeichnete und wichtige Grüne im Bundesvorstand. Auch viele andere, die dort waren, wurden bekannt: Rezzo Schlauch, Rudolf Bahro, Rainer Trampert. Der Streit um die Richtung der Partei, links oder rechts, um Realos und Fundis tobte noch heftig. Herbert Gruhl trat 1982 aus der Partei aus und gründete die Ökologisch-Demokratische Partei, kurz ÖDP. Später verließen auch viele andere wichtige Grüne die Partei, vor allem Leute des in den 1980er Jahren erfolgreichen linken Flügels, Fundis und Ökosozialisten; dabei auch Jutta Ditfurth.

Wegen des Kososvo-Krieges bin ich 1998 ausgetreten – allerdings bereits nach einem Jahr wieder eingetreten, weil ich eine politische Heimat haben wollte. Heute sind die Linken auch sehr gut!

Erinnerungen von Maria Frank-Seiferling, aufgeschrieben von Ruth Birkle

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