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Refugees

Jeder Flüchtling hat eine Geschichte

Elf Jahre Flucht und kein Ende in Sicht

Er ist es und er ist es nicht: Happy, ein Flüchtling aus Nigeria (Foto: Jan Krüger)

Durch den Verwaltungsapparat für Registrierung, Asyl und Abschiebung werden Menschen zu Fällen. Angesichts der Diskussionen über Quoten und „sichere Herkunftsländer“ wird allzu schnell vergessen, dass jedeR einzelne seine eigene Flucht- und Leidensgeschichte zu erzählen hat. Niemand verlässt grundlos seine Heimat.

Noch immer nicht in Sicherheit

Alhagie lebt schon mehr als eineinhalb Jahre in der Unterkunft in Rheinstetten. Er war Soldat der gambianischen Armee unter Präsident Jahya Jammeh. Nicht ohne Stolz zeigt er die Zertifikate, die seine Spezialausbildung in der Türkei und England belegen. Seitdem er desertierte und den Diktator kritisierte, wird er bedroht. Eines Tages wird er abgeholt, ihm wird eine Plastiktüte über den Kopf gezogen. Als er zu sich kommt, findet er sich in einer Zelle wieder. Dort wird er mit Schlägen und Injektionen gefoltert, bis er wegen seiner Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wird. Er nutzt diese Chance, um zu fliehen. Verletzt wagt er in einem Schlauchboot die Überfahrt über das Mittelmeer, gemeinsam mit sieben anderen Männern. Er hat Glück und überlebt, vier der Mitinsassen ertrinken. In seinem Container sitzend, quält ihn, nicht zu wissen, ob er bleiben kann oder nicht. Noch nicht einmal das „große Interview“ (Anhörung zum Asylverfahren) habe er machen können. Werde er zurückgeschickt, wäre das sein Tod, da ist er sich sicher. Doch auch in der Unterkunft fühlt er sich nicht sicher. Er schildert, niemandem trauen zu können, denn es seien auch regierungsnahe Flüchtlinge aus Gambia hier. Er hofft, bald eine Zusage zu bekommen, um dann eine eigene Wohnung beziehen zu können und endlich in Sicherheit zu sein.

Dawda diente ebenfalls in der Armee in Gambia. Als persönlicher Bodyguard des Präsidenten war er für dessen Sicherheit zuständig. Jetzt erwartet ihn von demselben die Todesstrafe in Gambia. Als er sich gegen dessen Politik äußert, muss er fliehen. Nach verschiedenen Stationen in Afrika schafft er es nach Deutschland und später Schweden. Doch die Nachricht von der Erkrankung seines Vaters treibt ihn zur Rückreise in seine Heimat. Zufällig erfährt er von einem geplanten Attentat auf den Diktator und schließt sich kurzerhand der Gruppe aus ehemaligen Soldaten an. Der Angriff auf das State House am 30.12.2014 wird vereitelt, die meisten Angreifer werden getötet, andere verhaftet. Auch er wird zunächst für Tod erklärt. Als die Regierung während seiner Flucht erfährt, dass er noch am Leben ist, wird in Mali ein Kopfgeld von umgerechnet etwa 10.000 € auf ihn ausgesetzt. Er rettet sich in die deutsche Botschaft, erhält dort aber kein Visum. Ihm gelingt die Reise zurück nach Schweden, von wo er aufgrund des Dubliner Übereinkommens zurück nach Deutschland geschickt wird, dem Land, in dem seine Einreise zuerst nachgewiesen ist. Um ihn zur Rückkehr nach Gambia zu bewegen, werden seine Eltern und seine Frau verhaftet und über 8 Monate festgehalten. Seine drei Söhne bleiben bei seiner 92-jährigen Großmutter und können nicht zur Schule gehen. Lange hat er keine Möglichkeit des Kontakts. Als Jammeh im Juli 2015, aufgrund des wachsenden internationalen Drucks dutzende Gefangene entlässt, kommen auch Dawdas Angehörige frei. Mittlerweile ist seine Frau mit den Kindern im Senegal und etwas sicherer, doch ohne finanzielle Mittel reicht das Geld nicht für die Schule. Dawda will sie nachholen, doch dafür braucht er die Asylbewilligung. Das Menschenrechtszentrum unterstützt ihn bei der Antragstellung und der Kommunikation mit seinem Anwalt. Solange kann er nur abwarten. (bh)

Elf Jahre Flucht und kein Ende in Sicht

Im Jahr 2004 mussten Happy und sein Zwillingsbruder im Alter von 17 Jahren aus ihrem Heimatland Nigeria fliehen, weil islamistische Fundamentalisten ihren Vater umgebracht hatten. Der bezahlte Fluchthelfer ließ sie entgegen der Vereinbarung ohne Papiere im Nachbarland Niger sitzen, obwohl er sie nach Libyen hätte bringen sollen. Happy und seinem Bruder gelang es dennoch kurze Zeit später, auf einem LKW mit 50 anderen Flüchtlingen in Richtung Libyen aufzubrechen. Ihre Reise durch die Sahara dauerte über zwei Monate. Durch Pannen des LKW waren sie gezwungen, Tage in der Wüste ohne Essen und Trinken auszuharren. Sie tranken ihren eigenen Urin und sahen Menschen verhungern und verdursten. An der libyschen Grenze wurden sie aufgehalten und für drei Monate in den Knast gesteckt. Nach ihrer Freilassung gelang es ihnen im Laufe der Zeit, ein Leben in Tripolis aufzubauen. Happy arbeitete als Fliesenleger, sein Bruder als Mechaniker. Das funktionierte über sechs Jahre. Dann brach der Bürgerkrieg in dem Land aus, das sie zu ihrer neuen Heimat auserkoren hatten.

Am 15.03.2011 wurde Happy verschleppt. Es war der letzte Tage, an dem er seinen Bruder gesehen hatte. Happy wurde gezwungen, für eine Bürgerkriegspartei Waffen zu verladen. Einige Wochen später wurde er gemeinsam mit 800 anderen Menschen auf ein Schiff verfrachtet, dessen Kapitän nach kurzer Fahrt auf das offene Meer die Brücke verließ und sich von einem kleinen Maschinenboot aufnehmen ließ. Das führungslose Schiff trieb sechs Tage auf dem Mittelmeer. Sechs Tage, in denen über 40 Menschen starben.

Ein Kriegsschiff brachte das Boot auf und transportierte sie nach Lampedusa. Von dort wurde Happy in ein Flüchtlingslager bei Catania gebracht, wo er nach rund einem Jahr vor die Tür gesetzt wurde. Er entschied sich, nach Verona zu gehen, und es gelang ihm abermals, sich dort eine kleine Existenz als Haushalts- und Küchenhilfe aufzubauen. Eines Tages wurde er bei einer Kontrolle der Polizei aufgegriffen und in der Zelle mehrfach brutal zusammengeschlagen – weil er nicht willkommen war.

Er beschloss, Zuflucht in Deutschland zu suchen. Sein Weg führte ihn über Essen, Dortmund und Karlsruhe bis in die Unterkunft nach Rheinstetten. Dort lebt er jetzt. Seit fast zwei Jahren. In einem Container. Happy ist mittlerweile 28 Jahre alt und kämpft gegen seine Abschiebung nach Italien und für seine Zukunft. (jk)

 

 

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