Tafeln funktionieren nach einem einfachen Prinzip: Sie sammeln überschüssige Lebensmittel und verteilen sie an Bedürftige. Der erste Tafelladen wurde in Karlsruhe 1996 am Rheinhafen eingeweiht. 2005 folgte die Beiertheimer und zwei Jahre später die Durlacher Tafel.
Nach Angaben des Bundesverbandes deutsche Tafeln (BdT) suchen ca. 1,5 Millionen Menschen in Deutschland die Lebensmitteltafeln regelmäßig auf, vor allem Arbeitslose, GeringverdienerInnen und RentnerInnen (vgl. BdT Jahresbericht 2015). Für Karlsruhe liegen keine offiziellen Angaben vor. Bei ca. 50.000 jährlichen Einkäufen allein bei der Beiertheimer Tafel dürfte die Zahl der Personen, die auf die Unterstützung durch die Karlsruher Lebensmitteltafeln angewiesen sind, schätzungsweise zwischen 2.500 und 3.000 Personen liegen. Tendenz steigend.
Ein Geschäft für die Sponsoren…
Finanziert werden die Tafeln durch Sach- und Geldspenden von Privatpersonen, Supermärkten und Unternehmen. Dazu zählen auch Großsponsoren wie Coca-Cola und LIDL. Zur Sicherstellung ihrer Finanzierungsquellen haben die Tafeln inzwischen ihren Markennamen juristisch schützen lassen. Viele Beteiligte unterstützen die Tafeln allerdings nicht nur aus purem Altruismus, sondern auch, weil es ein lukratives Geschäft darstellt: Die Supermärkte sparen Entsorgungskosten, die Sponsoren sammeln Spendenquittungen und sparen somit Steuern. Außerdem machen sie Werbung für ihre Produkte und können sich mit dem Etikett sozialer Verantwortung schmücken. Schamlos ausgenutzt hat diese Möglichkeit unter anderen die Coca-Cola Deutschland, seit 2013 „stolzer Partner der Tafeln“. Der Preis für diese Art „Social Washing“ war für den Großkonzern, der sonst jährlich 156 Millionen Euro für Werbung ausgibt, durchaus überschaubar: Ein paar tausend Flaschen der braunen Flüssigkeit sowie ein jährlicher Spendenscheck von gerade mal 29.000 Euro.
Viel besser wäre es, wenn viele Sponsoren beginnen würden, auch in ihren Betrieben sozialverantwortlich zu handeln. Dann würden die Gehälter ihrer Beschäftigten steigen, die Anzahl befristeter Beschäftigungen sinken und die Tafeln würden endlich beginnen, ihre Kunden zu verlieren.
…. und das Jobcenter
Die kirchlich-gewerkschaftliche Initiative gegen Armutshandel warnt davor, der „Tafelwirtschaft“ staatliche Aufgaben zu übertragen. Sichtbar geworden ist eine solche Gefahr auch in Karlsruhe am Beispiel der Lebensmittelgutscheine für Supermärkte. Diese werden von den Jobcentern in Notlagen oder bei Sanktionen anstelle von Bargeld an Bedürftige ausgegeben. Zwar ist das Einlösen von Lebensmittelgutscheinen nicht einheitlich geregelt, jedes Jobcenter sollte jedoch entsprechende Vereinbarungen mit Supermärkten abschließen. Denn ohne die Möglichkeit ihn einlösen zu können, verliert der Gutschein seinen Wert. Genau das tut aber das Karlsruher Jobcenter nicht. Nach unseren Informationen gibt es nicht einmal eine Liste der Geschäfte, die die Gutscheine akzeptieren. Eine (gewiss nicht repräsentative) Umfrage bei diversen Einzelhändlern und Discountern hat ergeben, dass nur eine Minderheit Lebensmittelgutscheine annimmt. Immer wieder kam, leider auch von „amtlicher Seite“, der Tipp, man solle doch mal bei den „Tafeln“ vorbeischauen. Dort gäbe es immer etwas zu essen.
Die Frage, ob der Lebensmittelgutschein eine unwürdige Bevormundung ist, wie oftmals zu Recht eingewandt wird, sei nun dahingestellt. Fakt ist: Wenn Lebensmittelgutscheine nur schwer einzulösen sind, spart die öffentliche Hand Ressourcen, die dann auch nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine Fehlentwicklung. Diese Meinung teilt auch die Caritas, die in Sachen Barmherzigkeit eine lange Tradition vorzuweisen hat: „Es wäre fatal“, schrieb sie im Jahr 2008 in einem Eckpunktepapier zu den Lebensmittelläden, „ wenn die politischerseits gern gesehene Tafelbewegung dazu beiträgt, dass sich der Staat mit Hinweis auf die Bürgergesellschaft aus der Daseinsvorsorge seiner Bürger sukzessive zurückzieht.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.