Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Stadtleben

Vier Türme erhitzen die Gemüter

Emotionale Auseinandersetzungen um den geplanten Moscheebau in Karlsruhe

Die Büchse der Pandorra: Kaum ausgesprochen, kochte die Diskussion um den möglichen Moscheebau in Mühlburg hoch. Ressentiments gegen den Islam und kaum verdeckte Fremdenfeindlichkeit stehen dabei einem ebenso fragwürdigem Träger des Bauprojektes gegenüber. (Collage: Benedict Hohlbein)

In Karlsruhe gibt es momentan neun Moscheen sowie zwei Gebetsräume für Muslime. Da sich die Gemeinde in den letzten Jahren vergrößert hat, wurde vom Verein DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) ein Moscheeneubau mit vier Minaretten auf einem rund 5.000 qm großen Gelände. in der Nähe des Mühlburger Bahnhofs geplant. Die neue Moschee sollte Platz für bis zu 600 Gläubige bieten. Soviel zu den Fakten. Die nach Bekanntwerden der Pläne im August 2016 entflammte Diskussion, war von Emotionalität geprägt.

Karlsruhe ist doch nicht Mekka

„Mit der CDU und mir persönlich ist eine Großmoschee nicht zu machen“, so Ingo Wellenreuther (MdB für die CDU). Minarette deutet er als „Zeichen für eine Inbesitznahme des Landes“. Der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Sven Maier sprach von einem nicht notwendigen „Prunkbau“ und ergänzte, dass Karlsruhe doch nicht Mekka sei.  Zudem kritisierte die C

Logo von Moscheegegner*innen
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DU angebliche Intransparenz bei den Planungen von Seiten des OB Mentrup und sprach sogar von „Geheimverhandlungen“.

Die Fraktion der Freien Wähler teilt diese Haltung. Deren Vorsitzender Dragmanli teilte mit, dass eine Großmoschee mit vier Minaretten keine Friedensstifterin sei. Sie fördere die gesellschaftliche Spaltung und sei in „Größe und äußerer Symbolik“ in Karlsruhe „unangemessen“. Die beiden AfD-Stadträte Bernhard und Schmidt bezeichneten den Bau einer „solchen Großmoschee“ als eine „Machtdemonstration des Erdogan-Regimes“.  Anfang Oktober diskutierte Frau Dr. Weidel (Bundesvorsitzende der AfD) im Rahmen der Veranstaltung „Der Islam in Europa“ mit besorgten Bürger*innen unter anderem die Frage, was hinter der „Asylflutung“ und dem geplanten „Völkermord an den Deutschen“ stehe.

Die Online-Petition „Kein Moscheebau in Karlsruhe“ unterzeichneten über 2.000 Unterstützer*innen , davon 980 aus Karlsruhe) mit dem Slogan: „Toleranz sollte auch Grenzen haben! In vielen Stadtteilen kommt man sich bereits vor wie ein fremder im eigenen Land!“

Im Namen der Religionsfreiheit

OB Mentrup (SPD) zeigte sich offen gegenüber dem Moscheebau. Die Geheimhaltungsvorwürfe bezeichnete er als Blödsinn und unverschämt. Zudem bescheinigte er Ingo Wellenreuther, das Thema zur persönlichen politischen Profilierung zu nutzen und mit Ängsten statt sachlichen Informationen zu arbeiten.

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Gemeinderat Ute Leidig und Johannes Honné plädierten dafür, dass muslimische Mitbürger*innen in Karlsruhe „eine adäquate Gebetsstätte“ bauen. Sie kritisierten „das Vorpreschen der CDU“, welches zu einer Spaltung geführt habe. Moscheebauten seien ein hochsensibles Thema, das einen weitgehenden Konsens in der Stadtgesellschaft erfordere. Darum hätten sie sich einen ruhigen, konstruktiven öffentlichen Diskurs gewünscht.

Auch Lüppo Cramer von der KULT Fraktion sah „von Geheimverhandlungen keine Spur“. Mit Hinweis auf das nicht-öffentliche Vertragspaket zum Wildparkstadion, sprach er Wellenreuther die Rolle des Aufklärers ab.

Tobias Tiltscher, Öffentlichkeitsreferent im katholischen Dekanat, betont in einer Stellungnahme „das Recht auf freie und ungestörte Religionsausübung“, zu dem selbstverständlich ein Gebetsraum gehöre. Anders als zuweilen als Gegenargument angeführt werde, erfahre dieses Grundrecht „keinerlei Einschränkung durch etwaige Schwierigkeiten beim Bau und Unterhalt christlicher Kirchen in anderen Ländern“. Toleranz und Rechtsstaatlichkeit könne man nur fordern, wenn man dem Anspruch selbst gerecht werde. „Die Katholische Kirche begrüßt das Ansinnen zum Bau einer Moschee in Karlsruhe.“

Auch Thomas Schalla, Dekan der evangelischen Kirche, hält es „für angemessen, dass auch in Karlsruhe eine Moschee gebaut wird. Es ist Ausdruck der Integration muslimischer Bürgerinnen und Bürger, wenn ihre Gotteshäuser auch im Stadtbild erkennbar sind.“ Muslime hätten nach Überzeugung der Evangelischen Kirche in Deutschland grundsätzlich das Recht, Moscheen zu bauen und damit auch in ihrer Architektur in unserer Gesellschaft erkennbar zu sein.

DITIB – ein fragwürdiger Ansprechpartner

DITIB Zentralmoschee in Karlsruhe (Foto: Benedict Holbein)
DITIB Zentralmoschee in Karlsruhe (Foto: Benedict Holbein)

Obwohl DITIB enge Verbindungen zur Erdoğan-Regierung und auch zu fundamentalistischen Gruppierungen nachgesagt wird, gilt der Verein nach wie vor als erster Ansprechpartner mit der Muslimischen Gemeinde in Deutschland – wenn auch nicht unwidersprochen. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte im Tagesspiegel: „Wer mit DITIB kooperiert, kooperiert mit Ankara und nicht mit der Religionsgemeinschaft in Deutschland.“

Tatsächlich werden die Moscheen mit Imamen aus der Türkei besetzt, die als Beamte der türkischen Behörde für Religionsangelegenheiten Dinayet unterstellt sind.

Für Religionswissenschaftler Ourghi vereint die DITIB-Gemeinden in Bezug auf Gewalt, Sexualität und Frauenrechte ein religiöses Verständnis des 7. Jahrhunderts. Bekannt geworden sind auch Verbindungen von DITIB zu Hasspredigern wie Pierre Vogel und islamistischen Gruppen wie der „Lohberger Brigade“ oder der Muslimbruderschaft in verschiedenen deutschen Moscheen.

AKP und DITIB nehmen gegenüber der überwiegend laizistischen kurdischen Bevölkerung und den Alevit*innen eine feindliche Haltung ein. Deren Bewegungen, wie die HDP (dt. Demokratischer Kongress der Völker – Europa), weisen ein sehr progressives Islamverständnis auf, kommen aber gegen den Einfluss der regressiven Kräfte kaum an, zumal sie im mit der Türkei politisch eng verbundenen Deutschland nicht als Ansprechpartner*innen gelten.

Chance zum Diskurs

Das Neubauprojekt wurde im November von  DITIB aufgegeben. Stattdessen beabsichtigen sie, die existierende Zentralmoschee in der Oststadt auszubauen, was ohne Zustimmung der Karlsruher Politik möglich sei.

Damit ist die Diskussion in Karlsruhe erstmal vom Tisch – ohne dass sie wirklich geführt wurde. Der polemischen Verallgemeinerung und Angstmache wurde das Recht auf freie Ausübung der Religion entgegen gehalten, ohne auf die fragwürdige Rolle islamischer Verbände und deren Verstrickungen einzugehen. Die Probleme der politischen Einflussnahme und der Radikalisierung sind jedoch real.

Ein türkischer Aktivist erklärt den Zulauf für radikale muslimische Bewegungen dadurch, dass sich ein Teil der dritten Generation ohne Berufsausbildung und Arbeitsplatz nicht als der Gesellschaft zugehörig fühle. Die Propaganda von Imamen gebe ihnen Halt und die Legende der AKP-Regierung von einem Wiederaufleben eines großen osmanischen Reichs brächte Befriedigung der Rachegefühle gegen eine Gesellschaft, die sie nicht teilhaben lässt.

Ganz ähnlich die Taktik und Rhetorik auf der Rechten: Mit Parolen von Volk und Nation locken Rechtspopulisten, hierzulande maßgeblich die AfD, die Vergessenen und Verlierer des neoliberalen Systems in die Radikalität.

Der Triumph chauvinistischer und emotionsgeladener Propaganda über Fakten und Argumente zeigt sich am Rechtsruck in Europa und den USA, ebenso wie am Zulauf zu islamistischen Gruppen wie dem IS.

Um dem Islamismus einerseits und dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit andererseits zu begegnen, reicht es nicht, die Religionsfreiheit hochzuhalten. Es braucht einen sachlich geführten, gesellschaftlichen Diskurs. Dieser könnte auch in Karlsruhe beginnen.

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