Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Stadtleben

Konservative Werte im modernen Gewand

Evangelische Freikirchen

Werbung der "Alive Church" (Foto: Twitter)

„Mit mir persönlich ist eine solche Kirche nicht zu machen“. Wir wissen nicht, ob sich „Karle mit der Tasche“ vor 500 Jahren derselben Rhetorik wie Ingo Wellenreuther bediente, als er sich entschloss, die Täufer aus dem Markgrafen Baden-Durlach auszurotten. Es lief das Jahr 1556 und die radikal-reformatorische Bewegung, die bereits mit den Bauernaufständen sympathisiert hatte, war wegen ihrer Bekenntnis für Glaubensfreiheit und Vergemeinschaftung überall einer heftiger Verfolgungen durch die Obrigkeit und die Amtskirchen ausgesetzt.

Heute noch leben in unserer Region Nachfahren der damaligen Täufer. Sie bilden zusammen mit einer Vielzahl anderer freien evangelischen Gemeinden die so genannte Evangelische Allianz.  Allein in Karlsruhe lassen sich über 50 Kirchen, Gemeinde oder Anlaufzentren dieser buntgemischten Welt zuzuordnen. Gemeinsam haben sie – trotz zum Teil erheblichen theologischen Unterschieden – eine starke Orientierung auf die Bibel als „Richtschnur“ in allen Fragen des Glaubens und des persönlichen Handelns. Je nach Tradition und Vorgeschichte drückt sich diese Bibeltreue heute in eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensführungen und missionarischen Botschaften nieder, die es aber gemeinsam beanspruchen, orientierungslosen Menschen in einer immer mehr prekärer werdenden Welt einen konkreten und spirituellen Halt zu bieten.

Zwischen Hilfe und Mission

Auch in Karlsruher leisten viele freikirchliche Gemeinden konkrete Hilfe. So verspricht das Zentrum für Gesundheit – Therapie- Heilung (Nahemia) medizinische Kompetenzen mit „Erkenntnissen der Christlichen Heilkunde zu ergänzen“. Bewaffnet mit der Bibel setzen sich die Heilssoldaten der  Heilsarmee Korps Karlsruhe für Arme und Benachteiligte ein. Und vermutlich auch weil man mit einem hungrigen Magen und kalten Füßen nicht predigen kann, gründete die Agape Gemeinde 2007 die Durlacher Tafel.

Was den spirituellen Halt angeht, gelingt vor allem den aus den amerikanischem Kulturraum stammenden pfingstlich-charismatischen Bewegungen (in Karlsruhe unter anderen durch die Alive Church vertreten) klassische Missionsarbeit in moderner Gestalt zu betrieben. Ein gemeinsames Erlebnis soll das Bewusstsein für die eigenen vom Heiligen Geist persönlich verliehenen Begabungen und heilenden Kräfte stärken. Die Gottesdienste sind daher fröhlich und an ein junges Publikum gerichtet. Es wird gesungen und zusammengebeten – aber auch von dämonischer Belastung und vom Teufel kann ab und zu die Rede sein.

In Fragen der Geschlechterbeziehungen und Sexualität neigen die evangelischen Freikirchen infolge ihrer fundamentalistischen Bibelauslegung zu einem ausgeprägten Wertekonservatismus, das manchmal dem islamischen Fundamentalismus in Nichts nachsteht.  In gesellschaftspolitischen Fragen reicht die Breitweite von offenem Antisemitismus und Rassismus hin zu sozialkritischen Positionen.

Es ist also manchmal zu schmunzeln, wenn man ausgerechnet aus dem evangelischen freikirchlichen Spektrum ab und zu islamophobe Positionen vertreten werden. Denn in vielerlei Hinsichten kann man zwischen beiden Fundamentalismen eine gewisse Wahlverwandtschaft erkennen.

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