Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Stadtleben

Wirr ist (nicht nur) das Volk

Stimmen und Stimmungen zu den Pegida-Aufmärschen in Karlsruhe

Nur besorgte Bürger - Pegida. (Karikatur: Carla Holbein)

„Ab 18 Uhr ist die Postgalerie wie ausgestorben – es wird von Woche zu Woche schlimmer“, so die stellvertretende Centermanagerin Kathrin Busch von der Postgalerie (Ka-News, 10.03.15). Die Wenigen, die sich am Dienstagabend doch in dem Bereich aufhalten, könnten „potentielle Pöbler“ sein, die Eingänge müssten aufgrund der heiklen Situation teilweise abgeriegelt werden, klagt sie weiter. Pegida mache sogar „deutlich größere Probleme als die Kombi-Baustellen“ (Einzelhändler Öhlinger, Ka-News, 08.05.15). Das Kaufverhalten der Leute leidet – ist das noch Meinungsfreiheit und Demokratie? Ist das Versammlungsrecht wirklich ein höheres Gut als das Recht auf ungestörten Konsum? Doch nicht um jeden Preis. Folgerichtig versuchten verschiedene Einzelhändler, die das „völlige Ersterben des öffentlichen Lebens“ als Existenzbedrohung empfinden (ein Offener Brief an den Oberbürgermeister), durch die Einreichung von Klagen ein Verbot der Veranstaltungen zu erwirken, aber ohne Erfolg.

Verharmloste die Stadt die Situation, wenn der Oberbürgermeister (OB) „kein akutes Gefahrenpotential“ sah? (Ka-News, 10.04.15) Die entscheidende Frage zu den „Pegida-Demos in Karlsruhe: Welche Seite ist gewaltbereiter?“, (Ka-News, 22.04.15) scheint zumindest eindeutig. Laut Polizei geben sich die gewaltbereiten Gegendemonstranten zwar „unauffällig“, „in ziviler Kleidung ohne erkennbare Embleme oder politisch motivierte Sprüche“, wurden jedoch, so OB Mentrup, eindeutig „aufbrausender“ erlebt und störten den „rechtsextremen Provokations-Tourismus“ nach Karlsruhe.

Wie er bei einer Veranstaltung zu Pegida verlauten ließ, sei der Ausnahmezustand in der Innenstadt in erster Linie auf die Gegendemonstranten zurückzuführen. Auf die Frage der Moderatorin, wieso „bürgerkriegsähnliche Szenen“ geduldet würden, entgegnet er: Der massive Polizeieinsatz sei notwendig, weil Pegida-Leute gejagt würden und die „Polizei die Pegida-Leute schützen müsse, weil sie an Leib und Leben bedroht werden.“ Leidtragende dabei: Die Polizei selbst. Für das nach eigenen Aussagen „jederzeit deeskalierende Konzept“ müssen „Polizeikräfte in voller Kampfmontur präsent sein“, „ob sie wollen oder nicht“, „was für einige bedrohlich wirkt“ und „das Bild der Polizei als Helfer und Beschützer demontiert“, wie aus einer Mitteilung des Kita-Trägers Pro-Liberis hervorgeht. Tragisch.

Zumal sich die Bilanz der Polizeieinsätze doch sehen lässt: Immerhin ein paar Dutzend Verletzte während der bisher acht Pegida-Veranstaltungen. Zugegebenermaßen mussten hiervon lediglich ein Gegendemonstrant Zähne lassen (Zeit Online, 09.03.15) und nur eine Gegendemonstrantin ins Krankenhaus (Ka-News, 31.03.15). Addiert man Festnahmen, Ingewahrsamnahmen und Strafanzeigen hinzu, ist das alles in allem doch ein vorzeigbares Ergebnis für eine Stadt mit ausgeprägter Willkommenskultur.

Und während sich laut Mentrup „das bürgerliche Lager“ tendenziell zurückgezogen hat (Südwestpresse, 02.04.15) nehmen sich die letzten aufrechten Demokraten aus der CDU-Fraktion der Problematik an und fordern in einem Offenen Brief als Konsequenz aus dieser, den zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss gegen Rechts“ in „Netzwerk gegen Extremismus“ umzubenennen, um das „bedeutsame Wirken dieses Netzwerks“ dadurch noch weiter zu fördern. Was in der ganzen Diskussion zu kurz kommt, ist, wofür Pegida in Karlsruhe überhaupt steht. Da deren Anhänger jedoch, wie in zahlreichen Leserbriefen in der BNN beklagt wird, nie zu Wort kommen gelassen werden, bleibt dies nur zu vermuten. Möglicherweise sind ihr Protest und die bewusste Wahl des Ortes auch ein Statement gegen die menschenunwürdigen Zustände für die von der Textilindustrie ausgebeuteten Menschen in Drittweltländern und die Behinderung des Konsums bei Händlern wie Primark und Co nicht ungewollte Randfolge, sondern eigentliches Ziel der Demonstrationen. Eine These. Fest steht: Der dienstagabendliche Terror, der die Freiheit von Konsumenten, Bürgern, Eltern und Kindern einschränkt, zerstört das „Stadtbild“.

Hoffentlich kann wenigstens der vielbeschworene kommende „Festivalsommer“ noch gerettet werden. Eine klare Haltung zu Pegida lässt die Stadt bis dato noch vermissen. (bh)

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