Beiträge für eine Lebendige Streitkultur in Karlsruhe

Stadtleben

Luxus Wohnen: Wohnraum unbezahlbar

Mietspiegel und Modernisierung, Werkzeuge der Gentrifizierung

Tipps für MieterInnen

Wohnraum ist eine Ware. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Die Nachfrage für Wohnraum in Karlsruhe ist groß und wachsend. Da das Angebot nicht in ausreichendem Maße erweitert wird, steigen die Preise. Den Regularien, um in die freie Preisbildung einzugreifen und dadurch den Wohnungsmarkt zu regulieren – dem Karlsruher Mietspiegel, dem sozialen Wohnungsbau, dem Wohngeld oder der Mietpreisbremse fehlt es an Wirkung, um Wohnraum für alle zu gewährleisten. Im Gegenteil tragen sie, wie sich beim Mietspiegel zeigt, sogar zum Mietpreisanstieg bei.

Die Stadt Karlsruhe veröffentlicht alle zwei Jahre einen Mietspiegel. Der Mietspiegel ist, anders als man zunächst vermuten könnte, allerdings kein Mittel zur Mietbegrenzung. Er stellt vielmehr ein Mittel für VermieterInnen dar, Bestandsmieten durch Anpassung an „ortsübliche Vergleichsmieten“ zu erhöhen. §558 BGB sieht vor, dass diese Vergleichsmieten nur aus Mieten gebildet werden, die in den vergangenen vier Jahren verändert wurden. Ältere niedrigere Mieten werden demnach sukzessive ausgesiebt und angehoben.

Ein Blick in den Karlsruher Mietspiegel macht die Intransparenz, mit der dies geschehen kann, deutlich. Der Mietspiegel arbeitet mit  Kriterien, die nach einem Punktesystem bewertet werden,  darunter harte Faktoren wie Lage oder Baujahr und Ausstattungsmerkmale wie Heizung und Boden, die danach ausgewählt wurden, inwieweit sie einen Einfluss auf die bestehenden Mietpreise haben. Abgesehen von der einzelnen Bewertung eines Kriteriums, die große Interpretationsspielräume offen lässt – etwa ob ein „einfacher Kunststoffbelag“ (-5 Punkte) oder ein „hochwertiger Kunststoffbelag“ (+3 Punkte) vorliegen –, ist die Punkteaufteilung für Mietende schwer nachvollziehbar und oft unschlüssig. So kann beispielsweise das Nichtvorhandensein eines Bades (-4 Punkte) durch eine Fußbodenheizung (+4 Punkte) ausgeglichen werden. Durch geschickte Vergabe der Punkte rutscht eine Wohnung auf diese Weise schnell in eine höhere der fünf Ausstattungskategorien. Die Kappungsgrenze, die Mieterhöhungen aufgrund des Mietspiegels auf 20% innerhalb von drei Jahren begrenzt, wird schnell ausgereizt.

Drastische Mieterhöhungen durch Modernisierungen

Noch heftiger kann es MieterInnen treffen, deren Haus modernisiert wird. Dazu zählen neben energetischen Maßnahmen die den „Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöhen“, „die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern“ oder neuen Wohnraum schaffen, z. Bsp. durch den Ausbau eines Geschosses.  Nach geltender Rechtslage können VermieterInnen 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete der vorhandenen Mietfläche aufschlagen. Die häufig großen Investitionssummen, resultieren dann in drastischen Mieterhöhungen. Eine Investition von 200.000 Euro, bei 400 qm Mietraum würde so zu einer Mieterhöhung von 4,58 €/qm führen. Die einzige Grenze setzt hier die sogenannte Mietpreisüberhöhung, wonach die Miete nach der Modernisierung die örtliche Vergleichsmiete um höchstens 20 % übersteigen darf.

Karikatur: Carla Holbein
Karikatur: Carla Holbein

Mietende müssen die Maßnahmen und die damit verbundenen Einschränkungen dulden. Eine Ausnahme stellt nur das Vorliegen eines „unzumutbaren Härtefalls“ z. Bsp. für MieterInnen mit hohem Alter dar. Mietminderungen wegen Einschränkungen durch die Arbeiten, können erst nach drei Monaten erfolgen. Bei der Umlage der Kosten gilt, dass Mieterhöhungen nur zulässig sind, wenn ausreichende Energieeinsparungen erzielt werden oder MieterInnen ein Wohnvorteil entsteht. Um sich gegen Modernisierungsumlagen, die oft Mietsteigerungen von 100% und mehr bedeuten, zu wehren, müsste im Einzelfall nachgewiesen werden, dass diese nicht umlagewürdig sind. Hier lasse der Gesetzestext viel Interpretationsspielraum und meist endeten solche Verfahren zu Gunsten der VermieterInnen, so der Mieterschutzverein, denn das  Modernisierungsgesetz stehe neben dem eigentlichen Mietrecht. Für das Vorliegen von „finanzieller Härte“ gilt die Faustregel, dass die Miete inkl. Nebenkosten nicht 30% des Haushaltsnettoeinkommens übersteigen sollte. Die Erfolgsaussichten diesen Einwand gerichtlich durchzusetzen seien ähnlich gering.

Unterstützung vom Amt? Fehlanzeige

Viele MieterInnen sehen sich daher mit zunehmend steigenden Mieten für ihren Wohnraum konfrontiert. Ihnen droht die Verdrängung aus ihrem jahrelangen (Wohn-) Umfeld. Denn auch mit Unterstützung von der Kommune sollte niemand rechnen: Das Wohngeldamt sieht von der „Bezuschussung von unangemessen hohen Mieten“ ab. Für einen Dreipersonenhaushalt in Karlsruhe darf die Höchstmiete, die dann gegebenenfalls bezuschusst würde, 626 € inklusive „kalten“ Nebenkosten betragen. Für eine Einzelperson 351 €. In Karlsruhes Stadtgebiet gibt es zu diesen Preisen keine passenden Wohnungen. Die Kaltmieten liegen hier aktuell bei rund 11 €/qm. Hinzu kommen Nebenkosten um 250 Euro. Somit kostet die Dreizimmerwohnung mit 80 qm über 1.100 Euro. Berücksichtigt man die Faustregel für finanzielle Härte, müssten Haushalte dafür ein Nettoeinkommen von 3.700 haben.

Dass sich die Wohnraumsituation so problematisch darstellt, ist zu einem guten Teil hausgemacht und folgt aus dem Dogma der Sparpolitik und dem Rückzug öffentlicher Träger aus der sozialen Verantwortung.

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