Der jugendliche Marc stromerte als Mitglied der Jusos durch die Szenekneipen Ulms. Er erzählt, dass er die Wiedervereinigung als Aufbruch empfunden und sich daher der CDU angeschlossen habe, die 22 Jahre seine politische Heimat bleiben sollte. Bis in den Bundesvorstand der Jungen Union hatte er es gebracht, den Einzug in den Bundestag verfehlte er nur knapp. Noch heute bezeichnet er Helmut Schmidt (SPD) und Helmut Kohl (CDU) als seine politischen Vorbilder.
Nun sitzt er da: Mit breitbeinigem Habitus als Kandidat der AfD. Seine Positionen habe er seit Jahren nicht geändert, sagt er, Merkel hingegen habe sie verraten. Marc Bernhard sitzt im Karlsruher Gemeinderat und arbeitet seit 2011 als Geschäftsführer der INIT GmbH Karlsruhe.
Gern möchte er die Strömung, der er innerhalb der AfD zuzurechnen sei, als liberal-konservativ bezeichnet wissen. Doch ganz so hübsch-harmlos sind die AfD und auch Marc Bernhard nicht. Die AfD ist Schrittmacherin eines rechten Projektes, das sich aus verschiedenen Quellen speist: Der Krise des Konservatismus, der Repräsentationskrise, der Krise des Kapitals und der Krise des Sozialen. Möglich, dass Marc Bernhard und die AfD teilweise richtige Fragen stellen, gefährlich jedoch sind die Antworten, die sie geben.
Wenn Marc Bernhard gegen den „rot-grünen Siff der 68er“ wettert, dann greift er den Bildungsplan Baden-Württembergs von 2015 an, der die Akzeptanz sexueller Vielfalt umfasst. Christliche Fundamentalist*innen, wie etwa der ‚Pforzheimer Kreis‘ in der AfD, und die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, organisierten Seite an Seite mit den so genannten ‚Lebensschützern‘ mehrere Demonstrationen gegen den Bildungsplan in Stuttgart („Demo für alle“). Sie stehen mit Positionierungen gegen die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen für einen geschlechter- und sozialpolitischen Rollback. Marc Bernhard sagt, er sei zwar nie auf der Straße gewesen, er befürworte jedoch die Ziele der „Demo für alle“.
Wenn Björn Höcke, Lautsprecher des völkischen Flügels der AfD, sagt, die soziale Frage der Gegenwart sei nicht primär die Verteilung des Volksvermögens von oben nach unten, sondern eine Frage der Verteilung von innen nach außen, kann dem Marc Bernhard zustimmen. Und tatsächlich trägt das Steuerkonzept der AfD keinerlei Ansatz einer Umverteilung. Vielmehr sieht es Entlastungen für alle vor: Die Ablehnung einer Vermögenssteuer und der Erbschaftssteuer für die einen, die Anhebung des Grundfreibetrages und die Absenkung der Mehrwertsteuer um 7 % für die anderen. Und das Ganze ohne jede Gegenfinanzierung! Höchst unseriös, wo doch allein das Absenken der Mehrwertsteuer von 19 auf 12 % 56 Milliarden Euro kosten würde. Diese Lücke im Wahlprogramm kann Marc Bernhard schließen: Mehr Geld in den Taschen der Bürger*innen führe zu größerer Nachfrage. Größere Nachfrage fülle die Auftragsbücher der Unternehmen und schaffe Arbeitsplatze. So weit, so keynesianistisch. Aber ein zweiter Ansatz kommt hinzu: Für die Betreuung von Geflüchteten wende die Bundesrepublik derzeit 40 Milliarden Euro auf. Mit der zügigen Abschiebung abgelehnter Asylbewerber*innen könnten folglich erhebliche Summen eingespart werden. Wie das zeitnah geht, weiß er auch: „Abschiebung ist machbar. Man muss nur wollen! Staaten, die nicht zurücknehmen, einfach die Entwicklungshilfe komplett streichen und das Problem ist in ein paar Tagen gelöst.“
Wenn Marc Bernhards sagt: „Wer sich der Integration verweigert, muss sanktioniert werden und letzten Endes auch das Aufenthaltsrecht verlieren können“, ist dieser Nationalismus verstörend. Zugleich ist er entlarvendes Getöse eines Rechtspopulisten, der nicht erklären kann, wie die Zustimmung zu dieser Leitkultur abgeprüft werden könnte.
Der AfD einen Rechtsruck oder gar Antisemitismus zu unterstellen, hält Marc Bernhard für Schwachsinn. Dass es Jörg Meuthen auf Anhieb nicht gelang, den Antisemiten Wolfgang Gedeon aus der baden-württembergischen Landtagsfraktion der AfD auszuschließen, dass Björn Höcke das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnete oder der Tübinger AfD-Kandidat für die Bundestagswahl Dubravko Mandic Barack Obama einen „Quotenneger“ nannte, das ficht Marc Bernhard nicht an. Es gäbe Spinner in jeder Partei. Für einen Ausschluss Björn Höckes aus der Partei sieht er – anders als im Falle Wolfgang Gedeons – keine Anhaltspunkte.
Die AfD hatte in ihrem Wahlprogramm für die Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg vor einer „weitestgehend gleichgeschalteten Medienlandschaft“ gewarnt. Marc Bernhard nennt sie „Lückenpresse“. Auf die Druckschrift angesprochen, sagte er, sie sei nicht so sein Ding. Gut so.
Weitere Kandidat*innen:
„Wir müssen die Komfortzone verlassen“ – Michel Brandt (Linke)
Die wahre Gefährdung ist die Klimakrise – Sylvia Kotting-Uhl (Grüne)
Abgeklärt und glatt – ohne Kontroversen – Parsa Marvi (SPD)
Arbeit muss sich wieder lohnen – Michael Theurer (FDP)
Was er am besten konnte: Ponte. – Ingo Wellenreuther kandidiert für die CDU