Das denkmalgeschützte Haus in der Südweststadt, in dem ich seit 17 Jahre lebe, wird von den neuen Eigentümer*innen grundsaniert. Es sollen Wohnungen zu einem Preis von 14 € / m2 entstehen.
Grundsanierung, das bedeutet: Baulärm, Dreck, Staub, Gestank, wechselnde Bauarbeiter, Polizeieinsatz wegen vermuteter Schwarzarbeit, herumliegende Kabel, unbeleuchtetes Treppenhaus, ungesicherte Haustüre, Stolperfallen überall. Schon seit 18 Monaten, fünf Tage die Woche. Als besondere Zugabe sorgen Asbeststaub, Lackdämpfe und Kohlenmonoxyd in der Wohnung für Dauerkopfschmerzen und Stirnhöhlenvereiterungen, von Atembeschwerden und Stauballergien ganz zu schweigen. Und das Ganze mit der Aussicht, anschließend die doppelte Miete zu zahlen.
Private Besuche zu empfangen, ist in dieser Situation nicht mehr möglich. Manche Hausbewohner*innen haben Angst, da Tag und Nacht die Hauseingangstüren offen stehen und jede*r Fremde unkontrolliert hier ein- und ausgehen kann. Im Keller brennt nachts oft Licht, es stinkt in den offenen Kellerabteilen nach Urin. In Hof und Einfahrt liegen Baugerümpel und vor dem Eingang stinken Müllcontainer und Dixi-Klo um die Wette.
Die Mieter*innen haben durchgehalten und sind immer noch da. Ganz zum Ärger der Vermieter*innen. Die unfreiwillig übernommenen Bewohner*innen mit ihren alten Mietverträgen sind natürlich unerwünscht und bringen keine Rendite. Sie sollen endlich ausziehen. Ersatzlos, versteht sich. Deshalb gab’s jetzt die Kündigung. Begründung: nicht geduldete Mietminderung. Eine Farce.
Leider kein Einzelfall, sagen Mieterverein und Karlsruher Wohnungsgenossenschaften.
Lösungsvorschlag von Wohlmeinenden: „Suchen Sie sich eine andere Wohnung. Das ist doch nichts auf Dauer.“ Aber wohin?!? Es gibt für finanzielle Normalos schlicht und ergreifend keinen bezahlbaren Wohnraum mehr in Karlsruhe.
Letztens hat eine Bekannte zu mir gesagt: „Karlsruhe, diese Stadt wird immer doofer. Großbaustelle Staatstheater, Oststadt, Fußballstadion, Großkonzerne Hinterm Hauptbahnhof und IKEA hier und da. Hauptsache bunt schön und groß und kachelig. Karlsruhe wird zu einer Stadt der Elitären. Normale Bürger sind hier nicht mehr erwünscht.“ So falsch liegt sie nicht.
„Welchen Wert haben für Sie einfache Bürger*innen der Stadt? Welche Umgestaltung der Stadt schwebt Ihnen vor? Gibt es in Karlsruhe bald nur noch Wohnraum und Lebensberechtigung für die Reichen und die Schönen?“
Diese Fragen an den Karlsruher OB und den Baudezernenten blieben bislang unbeantwortet.
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